In der Schlossberghalle:Was Johano Strasser und Kevin Kühnert ihrer Partei empfehlen

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Inhaltlich sind Kevin Kühnert (links) und Johano Strasser bei der Diskussion in Starnberg nah beieinander. (Foto: Nila Thiel)

Der Alt-Sozialdemokrat aus Berg diskutiert mit dem Jung-Star in Starnberg über die Zukunft der SPD.

Von Otto Fritscher, Starnberg

Solch ein Gedränge hat es bei einer SPD-Veranstaltung in Starnberg viele Jahre nicht gegeben: Der kleine Saal der Schlossberghalle ist am Samstagnachmittag rappelvoll, zusätzliche Stühle werden hereingeschleppt, die Türen bleiben offen, weil auch draußen noch Interessierte stehen und sitzen. Gut 250 Besucher wollen Johano Strasser, den SPD-Vordenker mit der weißen Wuschelmähne aus Berg, und den neuen Star der Sozis, den Juso-Bundesvorsitzenden Kevin Kühnert hören, der eigens aus Friesland zur Podiumsdiskussion nach Starnberg gekommen ist.

Thema: "Zukunft!" - mit Ausrufezeichen also, nicht mit Fragezeichen, was angesichts des trostlosen SPD-Wahlergebnisses in Bayern durchaus verständlich wäre. Sissi Fuchsenberger, stellvertretende Kreisvorsitzende, eröffnet die Diskussion mit einer launigen Feststellung: "Wenn ich so in den Saal schaue, dann habe ich das Gefühl, dass die Alten die Zukunft der SPD sind." Gelächter. In der Tat drängeln viele ältere Semester im eng bestuhlten Saal.

Wie steht es also um "die alte Tante SPD", wie Fuchsenberger sagt. Die klassische Klienteleinteilung funktioniert nach Kühnerts Ansicht nicht mehr. "Wir sprechen immer vom Bandarbeiter bei VW als klassischen SPD-Wähler", doch die Welt und damit die Wirtschaft sei viel differenzierter geworden, vor allem wegen der Digitalisierung. Kühnerts Gegenstrategie: "Wir Sozialdemokraten müssen wieder unsere Wertvorstellungen in den Mittelpunkt rücken." Damit weiß er sich einig mit Johano Strasser, der in jungen Jahren auch mal stellvertretender Juso-Bundesvorsitzender war. Und Kühnert rät den Sozis, "endlich damit aufzuhören, sich für Fehler in der Vergangenheit zu rechtfertigen." Damit meint er die Debatte um die Agenda 2010, die Ex-Kanzler Schröder durchgepaukt hatte, und in der viele Sozialdemokraten immer noch den Grund für den Abwärtstrend der SPD sehen. Strasser ist überzeugt, "dass die SPD nur dann erfolgreich Politik machen kann, wenn sie sich als sozialökologisch versteht." Denn die Grenzen des Wachstum seien "unverrückbar und unveränderlich" erreicht. Deshalb seien Verteilungsfragen auch ökologische Fragen. Und Strasser macht deutlich, dass er nicht jeden Aspekt der Digitalisierung für einen Fortschritt hält. "Die Ersetzung eines Lehrers durch einen Computer ist Unsinn, genauso wie die Ersetzung eines Pflegers durch einen Monitor." Kühnert lässt eine etwas andere Sichtweise erkennen: "Wer alles so lassen will, wie es ist, gehört nicht in die SPD." Aber: "Die FDP findet alles Neue gut, wir Sozialdemokratenbauen auch auf Fortschritt, der aber für die Allgemeinheit Nutzen bringen muss."

Und Strasser, der seit 50 Jahren SPD-Mitglied ist und an diesem Abend dafür die goldene Ehrennadel der Partei bekommt, zeigt, dass er auch mit bald 80 Jahren seinen Kampfgeist nicht verloren hat. "Wenn euch das Personal an der Spitze nicht passt, dann macht's doch Rabatz von unten, so wie wir 68er das getan haben", ruft er den SPD-Mitgliedern im Saal zu. Langanhaltender Applaus für den Juso und den Alt-Genossen, zwischen denen zwar Generationen liegen, die inhaltlich aber nahe beinander sind.

© SZ vom 29.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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