Tutzing:"Fürchtet euch vor der Furcht"

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Eine Fastenpredigt der besonderen Art - zuweilen böse, manchmal boshaft schweigend: Pater Holger Paetz im Saal der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Kabarettist Holger Paetz ist ein scharfzüngiger Meister des schwarzen Humors. Als Fastenprediger nimmt er politische Missstände, Corona und den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche ins Visier.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Tutzing

"Fürchtet euch nicht (...)", heißt es in der Bibel. Wenn der kunstvoll geschnitzte Jesus in der Kirche allerdings zusehen muss, dass "sich betende Hände freundlich verirren", kann der Münchener Kabarettist Holger Paetz nur "Fürchtet euch" warnen: Als scharfzüngiger Fastenprediger prangerte der als Pater in stilechter Mönchskutte gekleidete Kabarettist am Sonntag im ausverkauften Saal in der Politischen Akademie in Tutzing den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche an und nahm schonungslos, zuweilen böse und manchmal auch boshaft schweigend, politische Missstände und Corona aufs Korn.

Unbarmherzig legt Paetz den Finger in die Wunde, wenn der emeritierte Papst Benedikt XVI. die Ursache allen Übels in der Liberalisierung der Sexualität in den 1968-er Jahren sieht oder die Täter entschuldigt, dass es kein Missbrauch sei, "wenn ein Priester nur sein Ding rauszieht". Dabei schlüpft der Fastenprediger routiniert mit leicht näselnder Stimme in die Rolle des ehemaligen Papstes, um anschließend Altkanzler Gerhard Schröder oder den Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder zu parodieren und deren Sprache genüsslich zu sezieren. Söder solle es lassen, Metaphern zu verwenden ("Markus, Du kannst es nicht"), erklärt Paetz, der über viele Jahre Autor des Singspiels auf dem Nockherberg war. Das habe Söders Vor-Vor-Gänger Edmund Stoiber einfach besser gekonnt, sagt er, und hat gleich ein passendes Zitat parat: "Der Vater des Wunsches ist der Gedankengang." Und dann blättert Paetz in seiner schwarzen Mappe, um ganz nach Lust und Laune zu entscheiden, was er seinen Zuschauern als nächstes präsentiert.

Auf die Impf-Drängler folgen die Impf-Quengler

Wunderbar treffend formuliert er Wort-Neuschöpfungen, etwa zum Thema Corona. Im vergangenen Jahr habe es noch Impf-Drängler gegeben, jetzt gebe es nur noch Impf-Quengler, stellt er fest. Überhaupt diese Querdenker: Da ist er "lieber ein geimpftes Versuchskaninchen als ein ungeimpfter Angsthase". Die Politiker, die in die Maskenaffäre verwickelt waren, hätten nichts Illegales getan, stellt er mit hohntriefender Stimme fest. "Sie haben sich in der Not an der Not bereichert." Paetz erinnert an manche Details, die der Normalbürger bei der Fülle an Nachrichten längst wieder vergessen hat, und läuft beim Thema Politik zur Hochform auf. Voller Zynismus und mit tiefschwarzem Humor schießt er seine Giftpfeile ab auf den ehemaligen Gesundheitsminister Jens Spahn ("pastoraler Märchenonkel"), Söder ("bekämpft das Virus erfolgreich mit heißer Luft") oder Annalena Baerbock ("sich mit fremden Federn zu schmücken, nennt man Hochstapelei"). Nach seiner Wahlanalyse reichte das Gehirn des Wählers angesichts von Laschet und Baerbock nicht mehr aus, den Olaf (Scholz) zu bedenken.

Wenigstens der bayerische Mensch hat sich seiner Erfahrung nach verändert. Dieser habe erkannt, dass er nicht CSU wählen müsse. "Fürchtet euch vor der Furcht - sie könnte euch zu sehr ängstigen", ruft der Kabarettist am Ende den Besuchern zu, die sich streng an die Hygienebestimmungen halten und während der mehr als zweistündigen Vorstellung ihre Masken aufbehalten. Ja, so kennt man Holger Paetz, diesen Kabarettisten, der so viele Talente hat. Er analysiert detailverliebt und tiefsinnig, beobachtet scharf und präzise und ist immer überzeugend. Egal, ob er nachdenkliche Lieder mit selbst verfassten Texten ("es waren zwei Virologen, die mochten einander nicht sehr") oder humorig tiefgründige Gedichte ("lyrische Meisterwerke") verfasst - jede Formulierung sitzt.

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