Historikerin:Am Tränenhügel

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Brigitte Roßbeck zu "Zwei Frauen am Berg"

Das Bild wirkt auf den ersten Blick so heiter wie ein Ausflug in die alpine Sommerfrische. Doch die Skizze "Zwei Frauen am Berg" aus dem Jahr 1906 zeigt eine durchaus desolate Situation. Und gerade weil sich daran ein wichtiges Stück Lebensgeschichte Franz und Maria Marcs erzählen lässt, hat die Iffeldorfer Historikerin und Autorin Brigitte Roßbeck es hier ausgewählt. Die Skizze zeigt zwei Geliebte Franz Marcs und zwei spätere Ehefrauen des bedeutenden Expressionisten: links Marie Schnür, die elf Jahre ältere Malerin und Lehrerin an der Damen-Akademie in München, eine selbstbewusste, aber auch anstrengende Person; rechts Maria Franck, vier Jahre älter, ebenfalls Malerin und als solche "oftmals nicht genug ernst genommen", wie Roßbeck sagt.

Zwei Frauen - ein Dilemma. Auf dem Bild wirkten sie wie Freundinnen, so Roßbeck weiter, tatsächlich schwele zwischen ihnen aber gerade ein Konflikt. "Franz Marc hat sich in eine ausweglose Lage hineinmanövriert, weil er die beiden Frauen gleichzeitig liebt. Marie Schnür hat er die Ehe versprochen, Maria Franck will er nicht aus seiner Umarmung entlassen - und sie ihn erst recht nicht freigeben." Maria Franck habe, das schreibt sie in ihren Meomoiren, zu jener Zeit viel geweint, weswegen das spätere Ehepaar Franz und Maria Marc den Berghang über Kochel, auf dem die beiden Frauen so malerisch liegen, als "Tränenhügel" bezeichneten.

Roßbeck hebt hervor, wie sie dargestellt sind: "Marie Schnür wendet sich aufrecht und sehr präsent ihrer Rivalin zu. Maria Franck hält die Hand vors Gesicht. Kann sein wegen der Sonne, kann sein, um, bildlich gesprochen, das Gesicht nicht zu verlieren." Die gründliche Marc-Kennerin Roßbeck kann natürlich über das Bild hinausblicken. Die Dreiecksgeschichte mündet zunächst in die Hochzeit mit Marie Schnür (März 1907), dann in die Scheidung von dieser (Juli 1908), viel später in die Verehelichung mit Maria Franck (Juni 1913). Die beiden konnten nicht ohne Weiteres heiraten, da Schnür Franck als Scheidungsgrund benannt hatte - was seinerzeit ein Hindernis war. "Die Schnür hat sich gerächt", urteilt Brigitte Roßbeck.

Über Franz Marcs Frauengeschichten wäre noch mehr zu berichten. Bei Roßbeck, die nach ihrer Marc-Biografie "Die Träume und das Leben" gerade das Buch "Das Herz droht mir manchmal zu zerspringen. Mein Leben mit Franz Marc", zusammengestellt aus Maria Marcs Erinnerungen, herausgegeben hat, hört man eine Sympathie für diese Frau heraus: Sie habe "den labilen Franz Marc stabilisiert."

© SZ vom 05.03.2016 / Aml - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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