Nepomuk:Das Ende der Nachtschwärmerei

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Straßenlaternen sind ein wahrer Insekten-Magnet. Zumindest, solange man sie nicht auf LED umrüstet. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Die hellen Laternen bescheren vielen Tieren schlaflose Nächte - und dem Starnberger Seegeist willkommene Gesellschaft. Doch nun rüstet Herrsching auf LED um.

Glosse von eurem Nepomuk, Starnberg

Letztens war mal wieder die kollektive Unruhe ausgebrochen. Zwar lag der Ammersee, mein heimlicher Zweitwohnsitz (psst, nicht angemeldet) zu nächtlicher Stunde so ruhig und flach da wie eine schlafende Flunder. Aber es war ein trügerisches Idyll. Denn von überall her blitzte und blinkte es mal wieder. An den Tankstellen, am Bahnhof, in den Straßen gaben die Laternen mal wieder alles. Ich sah nur Sterne. Die reinste Reizüberflutung für meine hochempfindlichen Seegeistaugen!

Und nicht nur für die. Während ich rastlos, schlaflos, melancholisch durch die Straßen schwebte, kam ich gleich an mehreren Nachtschwärmer-Partys vorbei. Um die Straßenlaternen herum schien es, als gebe es Freibier für alle. Es war ein einziges Surren und Flattern und Schmettern. Die Fledermäuse, die Insekten, die Vögel - alle völlig aus dem Rhythmus. Auch meine Freunde machten die Nacht gezwungenermaßen mal wieder zum Tag. Da war meine liebe Sibylle, eine gewiefte Stechmücke. Meine schöne Lisbeth, eine der letzten Sibirischen Winterlibellen in der Region. Und der coole Kartoffelkäfer Kalle, ein Trumm von einem Gliederfüßer, mit einem Halsschild wie eine Betonwand.

Wir sind dann noch ein bisschen gemeinsam um die Häuserblocks gezogen. Geteiltes Leid ist schließlich halbes Leid. Wie immer hat Sibylle versucht, mir Blut abzuluchsen, obwohl wir uns jetzt schon wirklich lange kennen und sie eigentlich weiß, dass bei mir nichts zu holen ist.

Lisbeth mussten wir ein paarmal gegen wirklich aggressive Anbeter verteidigen - gut, dass ich den schwarzen Gürtel im Geister-Kung-Fu - also Gung-Fu - habe. Kalle, der ewig Gejagte, erzählte, wie er mal wieder dem Käfertod mit einem dreifachen Salto von der Gartenschippe gesprungen ist. Was für ein Held! Das haben wir dann gleich mit einer Partie Nacht-Kicker gefeiert. Hach, wie ich sie liebe, meine Schlaflos-Gang.

Doch dann deutete Kalle mit einem seiner Fühler auf eine Laterne vor uns. Er sagte, dass die Gemeinde Herrsching jetzt so richtig auf LED umrüste. Auf "lichtemittierende Dioden" also, wie mir ein schneller Blick ins Ghostnet verriet. Die verbrauchen weniger Strom und halten offenbar auch nicht so wach. Da ist mir vor Schreck fast mein Himbeergeist runtergefallen.

Tiefschlaf statt Lichtertempel, Biorhythmus statt Nachtanbeten, Augenklappe statt Augenringe: Das klingt ja alles vernünftig. Opfer des Geblinkes, ich gönn's euch ja. Und doch ist mir ganz schwer ums Herz. Wer krabbelt, kickert, lästert mit mir denn dann noch bis in die Morgenstunden? Wer prahlt mit seinen Heldengeschichten? Wer weht mir mit seinem Rüttelflug frischen Wind zu? Ja, selbst Sibylles nerviges Gesauge erscheint mir nun wie eine Liebeserklärung.

Ein paar mal noch gemeinsame Nachtgaudi, dann bekommt ihr euren wohlverdienten Schlaf. Dann muss ich erstmal tief abtauchen und ein paar Geistertränen verdrücken. Aber eines sollt ihr wissen, liebe unfreiwillige Freunde der Nacht: Sibylle, Lisbeth, Kalle - es war mir eine Ehre!

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