Herrsching:Das Geheimnis der Knochen

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Dem Wissenschaftler Andreas Rott gelingt eine Sensation: Er weist in einem komplizierten Verfahren nach, dass die Toten in den Steingräbern von Herrsching verwandt waren und einer frühen Adelsschicht angehörten.

Von Patrizia Steipe, Herrsching

Auf diesen Beweis hatten die Mitglieder des Vereins für Archäologie und Geschichte Herrsching gewartet: In den Steinplattengräbern beim Archäologischen Park wurden tatsächlich miteinander verwandte Verstorbene begraben. Andreas Rott hat in seiner Dissertation zum Thema "Bestattungsphänomene des frühen Mittelalters aus molekularbiologischer Sicht" in aufwendiger Laborarbeit den genetischen Fingerabdruck der rund 1300 Jahre alten Skelette ermittelt. Seine Ergebnisse stellen eine kleine Sensation dar. "Unsere Adeligen könnten tatsächlich zu den Huosi gehören", jubelt Wolf-Dietrich Hoefer, Vorsitzender des Vereins.

Ob in den Gräbern tatsächlich ein Vertreter dieses bayerischen Ur-Hochadelsgeschlechts gelegen habe, das sei noch immer Spekulation, sagt Rott. Aber immerhin: "Die Verwandtschaften zwischen den Skeletten der Tuffsteingräber lassen die Annahme einer frühen gehobenen Schicht zu." Als Archäologen in Herrsching die Tuffsteingräber und die kleine Kirche freigelegt hatten, erkannten die Forscher gleich, dass es sich um besondere Gräber handelt. Normalerweise hatten die Bajuwaren ihre Toten in Erdgräbern auf großen Gräberfeldern bestattet. Von der Mitte des siebten Jahrhunderts an wurden einzelne Personengruppen in Steingräbern beigesetzt. "Die Tuffsteine mussten erst aus anderen Regionen herbeigeschafft werden", so Rott. Oft wurden in den Gräbern auch kostbare Beigaben. Das ließ darauf schließen, dass hier Vertreter einer frühen Adelsschicht, die sich damals erst gebildet hatte, gelegen hatten. "Ein wichtiges Merkmal von Adel ist die Vererbbarkeit des sozialen Status".

Jetzt kann Rott diese These beweisen. Fünf Jahre lang hat er für seine 233 Seiten umfassende Doktorarbeit geforscht und dabei mit den Methoden der Molekularbiologie auch die Herrschinger Steingräber untersucht. Das "dunkle Zeitalter" werde die Zeit zwischen dem fünften und siebten Jahrhundert genannt, erklärt er. "Dunkel" nicht wegen fehlenden Lichts oder finsterer Machenschaften. "Aus der Zeit fehlen schriftliche Quellen", sagt der Wissenschaftler: "Die einzigen Quellen sind die archäologischen Funde." In Herrsching wollte er Licht ins Dunkel bringen und untersuchte, ob die Verstorbenen miteinander verwandt waren und was für ein Geschlecht sie hatten.

Die DNA-Analyse der jahrhundertealten Knochen war ein kompliziertes Verfahren. Im Labor des "Archae Bio Centers" der LMU wurden die Knochen untersucht. Die Mitarbeiter trugen dafür Schutzanzüge, Handschuhe, Mund- und Nasenschutz. "Die Proben mussten vor uns Menschen geschützt werden." Keinesfalls hätte die Probe durch Niesen oder Anatmen verfälscht werden dürfen. Der Wissenschaftler hatte Glück. Es gelang, die genetischen Fingerabdrücke der drei untersuchten Skelette zu rekonstruieren. In einem Einzelgrab, das wegen seiner Lage und der Ausstattung dem Gründervater zugeordnet worden war, konnte Rott beweisen, dass hier tatsächlich ein Vater gelegen hat. In dem anderen Grab seien der Sohn und ein Urenkel gelegen. "Man müsste jetzt natürlich auch die anderen Gräber untersuchen", regt Rott bei einem Vortrag dazu in Herrsching an.

Neben Herrsching hatte er auch Tuffplattengräber in Wielenbach untersucht. Auch dort hat der genetische Fingerabdruck ergeben, dass in den Gräbern, wie in Herrsching, Verwandte beerdigt worden waren. Ein weiterer Beweis der Adelsthese. Wo kam aber der Herrschinger Gründervater her und warum? Und könne man die gefundene DNA mit der von den bekannten Huosi-Skeletten vergleichen, um Klarheit zu bekommen? Die Hobbyarchäologen wollen noch mehr wissen. Dazu bräuchte man eine konkrete Theorie, um welches Familienmitglied es sich handeln könne, so Rotts Antwort. Das Erbmaterial werde nämlich von Mutter und Vater unterschiedlich vererbt.

© SZ vom 08.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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