Bundestagswahl im Landkreis Starnberg:Heilwasser aus Berlin

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Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth unterstützt den Wahlkampf der Kreis-Grünen -doch viele Plätze bleiben leer.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Mit einem politischen Kabarett haben die Kreis-Grünen am Samstag in Starnberg ihre Mitglieder auf den Wahlkampf eingestimmt. Die Farbe im Namen der Kabarettgruppe "Zum Blauen Veilchen" passte zwar nicht zur Farbe der Partei, alles andere aber war grün auf der Townhall-Versammlung in der Schlossberghalle. Die Dekoration war grün, die Gastrednerinnen waren grün gekleidet und auch einige Mitglieder.

Etwa 40 Besucher waren gekommen, doch man hatte wohl mehr erwartet. Schließlich war außer der Starnberger Bundestagskandidatin Martina Neubauer die Bundestags-Vizepräsidentin und langjährige Bundestagsabgeordnete aus Augsburg, Claudia Roth, als Zugpferd eingeladen und die Veranstaltung für 120 Personen zugelassen. Die beiden Kandidatinnen hatten einen harten Tag hinter sich - sie waren schon seit neun Uhr morgens im Wahlkreis unterwegs. Dennoch zeigten sie keine Ermüdungserscheinungen und gaben sich auch am Abend noch kämpferisch und leidenschaftlich. Beide seien sie begeistert von dem Zuspruch, den sie tagsüber an den Infoständen erhalten hatten. So berichtete beispielsweise ein gleichgeschlechtliches Ehepaar, die Grünen hätten dazu beigetragen, dass sie nach 25-jähriger Partnerschaft endlich heiraten konnten.

Mit dem Brecht-Zitat: "Ändere die Welt, sie braucht es", versuchte Claudia Roth, das Publikum zu überzeugen, dass es ohne eine grüne Regierungsbeteiligung nicht geht. Man müsse verhindern, dass die CDU erneut in die Regierungsverantwortung komme. Denn 16 Jahre lang sei nicht angekommen, dass es auch bei uns eine Klimakrise gebe, wie Flut- und Brandkatastrophen oder Dürren zeigten. "Die Realität hat in ihrer Radikalität unsere Fantasie überschritten", betonte sie. Roth spannte einen Bogen über Klima-, Mobilitäts- und Wohnungspolitik, auch auf die Pandemie ging sie ein. Covid-19 habe die Spaltung in der Gesellschaft "deutlich" verschärft. Es sei unfassbar, dass man so wenig für die Kinder getan habe. Daher hielt sie die von ihrer Partei geforderte Kindersicherung für dringend notwendig. Weitere Verlierer sind ihrer Erfahrung nach die Frauen. Laut Roth verdienen sie etwa 20 Prozent weniger als Männer, zudem sei die Gewalt gegen Frauen drastisch gestiegen. Der Staat habe eine Schutzverantwortung und die höre nicht an den Grenzen auf, betonte sie mit Blick auf Afghanistan, um sogleich überzuleiten auf Demokratie, Freiheitsrechte und die derzeit aufgeheizte Stimmung im Wahlkampf. Punkt für Punkt widerlegte sie die "Fake News", die über die Grünen und ihre Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock verbreitet werden. Nach ihren Angaben betreffen 70 Prozent aller Fake News die Grünen und 30 Prozent die Union aus CDU und CSU sowie ihren Kanzlerkandidaten Armin Laschet.

(Foto: N/A)

Die Starnberger Bundestagskandidatin, Bezirksrätin und Stadträtin Martina Neubauer sparte sich Seitenhiebe auf andere Parteien. Sie beschränkte sich auf die Ziele, die sie im Wahlkreis verwirklichen will, wie den Ausbau der Windenergie, Tempo 30 in Ortschaften und den Vorrang für Fußgänger, Radfahrer sowie den öffentlichen Nahverkehr. Ihr großes Anliegen ist die in Pandemiezeiten so stark gebeutelte Kultur und Kreativwirtschaft. Für eine Unterstützung müssten die Kommunen einen entsprechenden finanziellen Ausgleich bekommen. "Kultur ist eine Pflichtaufgabe und keine freiwillige Leistung", sagte sie unter dem Beifall der Zuhörer. Ein Pöckinger, der nach eigenen Angaben noch unentschieden ist, was er wählen soll, dankte Claudia Roth, weil sie "wie Heilwasser" sei.

© SZ vom 13.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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