Grafrath:Abseilen für die Nachzucht

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Die Elsbeere, Sorbus torminalis, die im Volksmund auch "Schöne Else" genannt wird, ist ein Rosengewächs. Ihre Beeren sind bei Vögeln sehr beliebt. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Im Fünfseenland ernten Baumpfleger in schwindelerregender Höhe die Früchte der Elsbeere. Sie ist selten, aber gut vorbereitet auf den Klimawandel

Von Erich C. Setzwein, Grafrath

Die Else ist mindestens 80 Jahre alt geworden, ohne dass Männer auf ihr herumturnten. An diesem Montagmorgen aber haben sich Christoph Lachenmeir und sein Kollege auf sie abgeseilt und pflücken behende die braunen Früchte des Baums. Die beiden Baumpfleger werden daraus aber nicht den edlen Schnaps brennen, den man zum Beispiel in Österreich bekommt, sonder sie ernten die Beeren für die staatlich organisierte Züchtung des Elsbeerbaums. Denn den extrem seltenen Baum zeichnet etwas aus, was in 100 oder mehr Jahren entscheidend sein dürfte für die Forstwirtschaft: Er ist für das sich erwärmende Klima gerüstet.

"Wir hoffen, ein paar Hundert Bäume aus der heurigen Ernte zu ziehen", sagt Felix Brundke, Forstreferendar am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Fürstenfeldbruck. Am vergangenen Sonntag haben er und die Baumpfleger zunächst westlich des Ammersees damit begonnen, an ausgewählten Bäumen die Früchte zu sammeln. Das ist, gerade bei der Hitze, eine enorm anstrengende Angelegenheit. An Seilen gesichert, hangeln sich die sogenannten Arboristen in fünf oder noch mehr Metern durchs Geäst auf der Suche nach den Beeren. Die dunkelroten bis braunen Beeren sind nach der Befruchtung der weißen Blüten seit Mai entstanden und enthalten das, auf das Brundke und das Amt für forstliche Saat- und Pflanzenzucht in Teisendorf (ASP) besonders scharf sind: ganz unterschiedliche Gene. Die können einmal wichtig werden, wie Brundke erläutert, wenn die Elsbeere als Baum der Zukunft auch an anderen Standorten als den bisherigen vermehrt werden soll. Es sind die kiesigen Böden, die der Baum braucht, und warme, helle Stellen, die es im Fünfseenland und im östlichen Kreis Landsberg gibt. Bei Utting, Herrsching, Weßling, auch in Grafrath und Schöngeising stehen die tief wurzelnden und langsam wachsenden Bäume vereinzelt an Wegrändern oder an Lichtungen. Etwa 400 sind im Bereich des AELF bislang registriert worden. "Jeder, der einen sieht, möge sich bitte bei uns melden", sagt der Forstreferendar.

So nennt er neben dem ökologischen Nutzen für die Natur den ökonomischen für den Forstwirt. "Elsbeerenholz ist eines der teuersten in Europa, auf Auktionen wurden Preise für den Festmeter von 10 000 Euro erzielt." Zum Vergleich: Für den Festmeter Fichte erzielen Waldbesitzer in der Regel etwa 100 Euro, nach dem Sturm Niklas ist der Preis auf etwa 80 Euro gesunken. Das Holz der Else, wie der Baum auch genannt wird, ergebe hervorragendes Furnier, erklärt Brundke, die Möbelindustrie sei sehr daran interessiert. Dass dieser wertvolle Baum in ein paar Jahrzehnten so richtig heimisch wird im Fünfseenland, daran ist dem Forstamt sehr gelegen. Privatwaldbesitzer werden mit Fördermitteln gelockt, um bei Aufforstungen die Else zu berücksichtigen. Die Waldbauern, die Elsbeeren auf ihren Grundstücken beernten lassen, sollen "eine Handvoll Setzlinge" zum Dank zurückbekommen.

Normalerweise müssen die samenhaltigen Beeren zwei Winter überstehen, ehe sie keimfähig werden. Etwas schneller geht es auch, wenn die Beeren durch Vögelmagen wandern. Da man Vögel nicht einsetzen könne, wird die Keimfähigkeit in kürzerer Zeit im Labor unter künstlichen Bedingungen hergestellt. Die jungen Elsbeeren kommen danach auf Erhaltungsplantagen an drei geeigneten Standorten im Fünfseenland. Gute 100 Jahre kann so ein Baum werden, "auch wenn ich mir wünsche, er würde länger stehen", sagt der Waldexperte Brundke. Heuer werden wohl so viele Beeren geerntet, dass eine ordentliche Zucht gelingt. Im vergangenen Jahr waren die Leute vom AELF zu spät dran, sagt Brundke, da hatten die Vögel die Beeren schon verputzt.

© SZ vom 01.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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