Gräfelfing:Land-Lust

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In Gräfelfing stößt die SPD-Idee einer "sozialen Gartenstadt" und das Thema Nachverdichtung auf Widerstand

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Es war der Abend, an dem Gräfelfing einen neuen Untertitel erhalten sollte: die "soziale Gartenstadt". Das hatte sich die SPD so ausgedacht, als sie zum Diskussionsabend zur Zukunft der Gartenstadt ins Bürgerhaus eingeladen hatte. Dass das Publikum die Parole nicht ganz so begeistert aufnahm, wie es eigentlich gedacht war, sondern die Debatte eher Kritik und Bedenken zu Tage förderte, steht sinnbildlich für einen Abend, der offenbarte, wie schwierig es ist, Worthülsen mit Leben zu erfüllen und blanke Theorie in die Praxis umzusetzen.

Grundlage für die Diskussion sollte die Zukunftsvision für den gesamten Münchner Südwesten von München bis Starnberg sein, die ein Expertenbüro unter dem sperrigen Namen "Raumordnerisches Entwicklungskonzept" - kurz: Roek - im vergangenen Jahr vorgelegt hatte. Ergebnis der Studie ist die Vision einer urbanen Entwicklung für die Vorortgemeinden: moderates Bevölkerungswachstum, um der Vergreisung entgegenzuwirken, den Verkehr eindämmen, dafür S-Bahnhöfe aufwerten und Radschnellwege entwickeln. Vorgesehen ist dabei eine bauliche Verdichtung in einem Radius von etwa 800 Metern um die S-Bahnhöfe, erklärte Marc Hofmann vom Expertenteam.

An dem Thema der Nachverdichtung biss sich das Publikum dann aber fest. Das wundert nicht, denn es stellt die größte Bedrohung der Gartenstadt dar, die bisher ohne den Untertitel "sozial" ausgekommen ist. Die SPD machte klar, was sie damit meint: mehr Baurecht schaffen und dadurch bezahlbaren Wohnraum, als "Solidarbeitrag" zur Entwicklung des Würmtales. "Wir können uns nicht abschotten", sagte Dieter Horch, der SPD-Ortsvereinsvorsitzende. Er hatte den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, da grummelte es schon im Publikum. "Stehen dann in allen Gärten Häuser, wo sollen die Kinder dann spielen?", fragte eine Zuhörerin. Eine andere sah die schönen, alten Bäume in den Gärten bedroht, die dann abgeholzt werden müssten. Und was ist mit dem Gräfelfinger Unikum, dem degressiven Baurecht, das die Gartenstadt eigens entwickelt hat, um den Charakter der lockeren Bebauung zu schützen? Will die SPD das abschaffen, hat Gräfelfing nicht schon zu viel nachverdichtet?

Stopp, so war das alles nicht gemeint. Es gehe eher um eine dezente, verträgliche Nachverdichtung, betonte Hofmann: "Die Villenkolonie soll erhalten bleiben." Auch am degressiven Baurecht wolle man nicht rütteln, aber es "gerechter machen", forderte Dieter Horch, was immer das heißen mag. Mit einer Tatsache müssten sich die Gräfelfinger anfreunden: "Wenn gar nicht gebaut wird, schrumpft Gräfelfing eher", warnte Marc Hofmann. Und die Bevölkerung werde immer älter. Das Fazit des Abends: Es ist noch ein weiter Weg hin zur "sozialen Gartenstadt".

© SZ vom 15.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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