Gräfelfing:Der Kino-Intendant

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Weingummi statt Action-Popcorn-Cola-Partys: Schon als 14-Jähriger stand Werner Scholz am Film-Projektor. (Foto: Catherina Hess)

Seit mehr als 40 Jahren betreibt Werner Scholz im Würmtal sein Lichtspielhaus "Filmeck"

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Das Kino in Gräfelfing hat ein bisschen was von Wohnzimmeratmosphäre. Genau 88 Zuschauer haben auf den nachtblauen Sitzen Platz, es ist gemütlich, und wer Gräfelfinger ist oder aus dem Würmtal kommt, kann sichergehen, dort mindestens einem bekannten Gesicht zu begegnen. Am kleinen Kassenhäuschen werden die Eintrittskarten noch von der Papprolle abgerissen, es gibt Gummibärchen und Eis - und freie Platzwahl. Das "Filmeck" im Bürgerhaus am Bahnhofsplatz ist eine Institution. Es ist das einzige Programmkino zwischen Gräfelfing und Starnberg. Was dort auf der Leinwand flimmert, wählt ein Leidenschaftlicher aus: Kinobetreiber Werner Scholz.

Kino ist für Scholz ein ewiges "Abenteuer", sagt er. Was es demnächst an neuen Filmen geben wird und wie diese wohl beim Publikum ankommen werden, das sind Fragen, die auch nach Jahrzehnten im Kinogeschäft für ihn nicht an Spannung verloren haben. Scholz ist inzwischen 68 Jahre alt und macht seit gut 50 Jahren Kino. "Machen" ist das richtige Wort: "Es gibt Kinospieler und es gibt Kinomacher", erklärt Scholz - er sei der Macher. Für ihn heißt das, er besucht Filmfestivals, wählt Filme aus, die den Gräfelfingern gefallen könnten, organisiert Filmreihen und Gesprächsrunden. Er sei so eine Art "Theaterintendant", nur halt fürs Kino - Scholz ist also Kino-Intendant, wenn es das gäbe.

Kino übt eine Faszination auf ihn aus. Schon als Kind in Oberammergau sah er sich um 13 Uhr den Märchenfilm an und um 15 Uhr gleich noch einen Zorro- oder einen Fuzzy-Film. Mit 14 Jahren stand er dann schon selbst am Projektor im Vorführraum, auch später, während seiner Lehrzeit als Großhandelskaufmann, zeigte er nach der Arbeit noch Filme. Als Werner Scholz gerade mal 19 Jahre war, übernahm er gemeinsam mit einem Freund sein erstes Kino in Moosach. Als es einer Straßenverbreiterung weichen musste, ging er nach Gräfelfing. Dort gab es die "Kinobühne West", einen Riesenkasten, 435 Sitzplätze, Loge, Foyer, Garderobe. Es wurde abgerissen, als das Bürgerhaus in den 1980er Jahren gebaut wurde. Im neuen Haus wurde ein Kino integriert, das Filmeck - Scholz wurde wieder der Betreiber. Mehr als 20 Jahre führte er überdies das "Universum Filmtheater" in der Germering Stadthalle mit seiner Frau Ilka, die er - wohl überflüssig zu sagen - im Kino kennengelernt hat. Das Filmtheater haben beide vor zwei Jahren aufgegeben. Scholz macht in Gräfelfing Kino gegen alle Vernunft, könnte man sagen. Vom Massengeschmack lässt er sich nicht beeinflussen, schon gar nicht unter Druck setzen. Viele der großen Action-Blockbuster laufen nicht im Filmeck. Wohl mal James Bond, aber "Star Wars" steht nicht auf dem Programm. Keine "Action-Popcorn-Cola-Partys", wie er es nennt. Auch 3-D-Filme gibt es nicht - "die werden damit auch nicht besser". Er sucht gerne die leisen Filme aus, die unter den Begriff "Autorenfilme" fallen - künstlerisch anspruchsvolle Streifen, passend zum genauso anspruchsvollen Gräfelfinger Publikum. Leicht hat er es nicht mit dieser Auswahl. Viele Filme starten mit sehr geringer Kopienzahl in Deutschland - ein kleines Kino wie Gräfelfing hat dann oft Probleme, eine Kopie zu ergattern.

Werner Scholz packt auch Filmreihen in sein Programm. Bei einer zeigt er Kinofilme mit Schauspielern, die einst in Gräfelfing lebten wie beispielsweise Heidi Brühl, Fritz Rasp oder Olga Tschechowa. Oder es gibt die Wunschfilmreihe: Gräfelfinger Persönlichkeiten dürfen sich ihren Lieblingsfilm wünschen. Außerdem gibt es mittwochs einen Vorfilm - eine fast ausgestorbene Filmgattung - der thematisch zum Hauptfilm passt. An jedem ersten Mittwoch im Monat steht das Filmgespräch auf dem Programm, lockeres Plaudern nach dem Abspann über den Film.

Kinomachen im Scholzschen Stil ist heute ein hartes Geschäft. Zum Glück hat er sein Hobby immer nebenher betrieben und musste nicht davon leben. Am Ende bleibt wenig in der Kasse. Im vergangenen Jahr kamen 16 000 Besucher, das macht bei mehr als 800 Vorstellungen im Durchschnitt nur 20 bis 25 Zuschauer pro Vorstellung. Würde Scholz und sein Filmeck nicht immer wieder von Bund und Land für das hervorragende Programm ausgezeichnet werden, wäre das Überleben sehr schwierig, sagt er. Am Kartenpreis will er nicht drehen, acht Euro, das reicht, "so viel wie ein Schweinsbraten, hieß die Faustregel früher". Der Braten aber ist längst teurer. Werner Scholz macht weiter, er kann auch nicht anders. "Kino ist immer noch eine Leidenschaft".

© SZ vom 01.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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