Einkaufen:Ausgesuchte Weine und geröstete Kaffeebohnen

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Michaela Grahl, Michi Inzinger und Fabian Folgmann bietet in ihrem Gilchinger Pop-up-Store  zudem Töpferware und Schmuck an. Ob  sie den Laden dauerhaft behalten, wollen sie nach ein paar Monaten entscheiden.

Von Patrizia Steipe, Gilching

Einen solchen Laden würde man eher in angesagten Stadtvierteln wie Schwabing oder Haidhausen vermuten als in der Gilchinger Römerstraße. Die Verkaufsfläche des Concept-Stores - so werden Geschäfte genannt, die Unikate und Ausgefallenes verschiedener Hersteller anbieten - teilen sich Michaela Grahl, Michi Inzinger und Fabian Folgmann, drei Gründer aus Gilching. Wo früher mal ein Handyladen und später dann ein Tattoo-Studio war, gibt es nun Kaffee, Wein und Geschenkartikel.

"Wir haben den Schritt in die Selbständigkeit gewagt, um mehr aus unseren Leidenschaften zu machen", sagt Grahl. Da gibt es einerseits die Winzinger-Weine aus dem österreichischen Weinbaugebiet am Neusiedler See, die dank stylisher Designer-Etiketten besonders bei jüngeren Weinliebhabern ankommen. Daneben duftet es aus den Tüten mit Kaffeebohnen der Marke "Tostado". Folgmann hatte die Kaffeemarke in seiner Rösterei in der alten Geisenbrunner Brauerei kreiert, musste aber den Standort aufgeben und hat sich seit Sommer 2020 auf den Vertrieb seiner Kaffeesorten beschränkt.

Die Drei vom Concept-Store (v.li.): Michi Inzinger, Michaela Grahl und Fabian Folgmann haben alle eine Vorliebe für Manufakturen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Seit Mitte November komplettiert Betriebswirtin Michaela Grahl das Trio mit ihrem Pop-up-Store "Echtraum". Es gibt Kerzen mit Farbverlauf, Töpferware aus Portugal, filigranen Schmuck einer Münchner Designerin, bunte Handtücher für das Fitness-Center, Papeterie-Artikel wie Karten, Memoblöcke, Kalender und vieles mehr. "Ich habe eine Leidenschaft für Manufakturware, von der man weiß, wo sie herkommt", erklärt sie. Auf speziellen Messen oder in den Sozialen Medien spüre sie die jungen Designer auf.

"Das Pop-up-Geschäft ist für einige Monate geplant, dann entscheide ich, ob sich ein eigener Laden lohnt", sagt Grahl. Im April hat sie ihren sicheren Job in einer PR-Agentur aufgegeben, um sich den Traum der Selbstständigkeit zu erfüllen. "Ich glaube fest an den stationären Handel und das Potenzial hier in Gilching", sagt sie. Von Michi Inzinger, der 2020 seinen Onlinehandel mit dem Ladengeschäft "Winzinger Weine" in Gilching ergänzt hat, wollte sie sich eigentlich nur ein paar Tipps holen. Er bot ihr spontan an, im Laden einzusteigen. Platz ist vorhanden, der große Tisch in der Ladenmitte, an dem Weinproben hätten stattfinden sollen, steht wegen Corona leer.

Im Pop-Up store an der Römerstraße in Gilching werden Weine, Dekorationsartikel und Schmuck sowie Espresso und diverse Filterkaffeesorten angeboten. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Für alle Drei ist die Kooperation eine Win-win-Situation. "Vorher gab es keine festen Öffnungszeiten", erinnert sich Inzinger. Vom Weinhandel allein könne er nicht leben, er ist hauptberuflich in einer Foto- und Videoproduktionsfirma beschäftigt. Folgmann ist meistens als Pilot unterwegs. Jetzt schmeißt Grahl mittwochs bis freitags den "Echtraum".

Neben den Produkten sind es die Geschichten, die diesen Laden so besonders machen. Zum Beispiel die, wie Folgmann seinen perfekten Kaffee gefunden hat. Seine Frau Sonja mochte dieses Getränk ursprünglich überhaupt nicht. "Ich wollte sie bekehren", so Folgmann, der damit begann, Kaffeebohnen zu rösten. Er wollte einen Kaffee kreieren, der an den ersten Espresso erinnert, den man auf der Fahrt zum Gardasee an der italienischen Tankstelle bekommt. "Mit einer Schokonote, aber säurearm und ohne Bitterstoffe". Jahrelang hat er seine Versuchsreihen gestartet. Dabei kam ihm zugute, dass er seinen Job als Pilot mit Besuchen bei seinen Kaffeebohnenlieferanten verbinden kann. "Ich kenne alle Arbeitskonditionen und Familienbetriebe vor Ort", sagt er. Mittlerweile kennt er auch die perfekten Mischungen - zumindest für den Gaumen seiner Frau, seiner Stammkunden und der Jury eines Kaffeemagazins. Die Fachleute hatten seine "Madre Mia" prämiert, eine Bohnenmischung aus 70 Prozent Arabica aus Brasilien und 30 Prozent Robusta aus Mexico.

Hinter dem Weinhandel von Michi Inzinger und Alex Kumm steht ebenfalls eine Geschichte. Inzingers Eltern hatten sich ein Haus am Neusiedler See gekauft. "Hinter dem Haus fingen die Weinberge an", erinnert sich Inzinger. Angesichts vieler Geschäftsaufgaben beschloss er, mit Alex Kumm selbst in den Weinhandel einzusteigen, um die Weinregion zu stärken. Mit dabei waren befreundete Winzerfamilien, die die Trauben und die Expertise lieferten. "Geschmacklich sind die Weine hervorragend", schwärmt er von seinem Zweigelt, Grünen Veltliner, Pinot Blanc und den anderen etwa zehn Sorten. Nicht genug damit: Die Flaschen sollten auch optisch ein Hingucker werden. Dafür gewann Inzinger den Kölner Künstler Carsten Zissen, der extra Etiketten kreierte. Alte Motive - modern aufgepeppt. Auf einem prangt sogar der Ururgroßvater von Max Inzinger.

In Zukunft will Inzinger sich beim örtlichen Einzelhandel engagieren. "Ich stelle mir Veranstaltungen mit neuen Formaten vor, die wir hier bisher noch nicht hatten." Folgmann überlegt, einen Kaffeeautomaten aufzustellen, damit man seine Bohnenmischungen im Laden direkt verkosten kann. Außerdem hat er eine Crowdfunding-Aktion laufen, um Transportschutzmatten aus "Upcycling"-Material als weiteres Start-up zu realisieren. Und Michaela Grahl ist bereits auf der Suche nach weiteren originellen Designer-Artikeln.

© SZ vom 30.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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