Geschichte:Hoch hinaus

Lesezeit: 2 min

Die 23. Ausgabe der Starnberger Hefte gilt literarischen Wanderungen und Abgründen

Von Katja Sebald, Starnberg

Wer meint, die Autoren und Redaktionsmitglieder der "Starnberger Hefte" haben sich im Sommer "über alle Berge" davongemacht und berichten nun unter diesem Motto von Urlaubsreisen, Wanderungen und Müßiggang, der liegt so weit daneben, wie man nur daneben liegen kann: "Über allen Gipfeln ist Sturm", so beginnt gleich der erste Text in der 23. Ausgabe des von Ernst Quester herausgegebenen Literaturheftes. "Bergsteigers Nachtlied" von Thomas Maier-Bandomer mit "Schlottern im Schlafsack" und "Bibbern im Biwak" ist nur die erste Etappe der literarischen Wanderung. Auf der letzten Seite des Hefts geht dann Inge Geissinger auf den Händen spazieren. Und mit "Meine Gedanken gehen auf Reisen und treiben sich herum in der Welt. . ." ist ihr Gedicht fast schon ein luftiger Ausblick auf die nächste Ausgabe. Zwischen diesen beiden Texten aber tut sich ein Abgrund nach dem anderen auf.

Wie eine heiter-verklärte Kindheitserinnerung klingt zwar Karin Schreibers Erzählung von einem Umzug nach Voralberg in den frühen Fünfzigerjahren an. Das "Leben auf dem Montafon" ist jedoch alles andere als Idylle. Aus der Perspektive des Kindes von damals schildert sie die Armut der Nachkriegsjahre und die raue Bergwelt. Sie beschreibt das Lodern in dunklen Männeraugen in einer Zeit, in der über Missbrauch nicht gesprochen wurde. Und schließlich die Depressionen der Mutter, über die ebenfalls nicht gesprochen wurde, bis es beinahe zu spät war.

Horst Guckelsberger berichtet von einer im Schneesturm abgebrochenen Gletschertour in den Westalpen und die Erstickungsgefahr im zugeschneiten Biwak. Joseph Hurler schildert seine ersten Bergfahrten nach 1930 in der Umgebung von Steingaden und Herbert Kreibich eine Tour auf den über 6000 Meter hohen Illimani in Bolivien.

Vergleichsweise harmlos erscheint dagegen die Besteigung des Staudamms am Maisinger See, zu der Eva Ueber-Möller in ihrem Text "Nix wie weg!" auffordert. Frei nach Franziska zu Reventlow wird bei ihr das schöne Maising und die dazugehörige Wirtschaft am See zu einem "Zustand", in den man sich aus dem Schulalltag flüchten konnte.

Am höchsten hinaus aber führt ausgerechnet die - vielleicht titelgebende - Skizze "Über allen Bergen" von Annika Mayer, in der eine Gruppe von Weltenrettern von einem Berggipfel in letzter Sekunde ins All startet, während unten im Tal schon giftige, bewusstseinsverändernde Dämpfe wabern.

Das Heft wird an diesem Donnerstag, 5. Dezember, von 19.30 Uhr an im Café Prinzregent in Starnberg vorgestellt, wie immer mit musikalischer Begleitung.

© SZ vom 05.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: