Wertsachen:"Das ist ja goldig"

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Münzexperte Hubert Ruß nimmt in der Sparkasse Münzen unter die Lupe, die bisher in Schachteln oder Schubladen gelegen sind. Oft wollen die Besitzer den Wert von Erbstücken herausfinden.

Von Otto Fritscher, Starnberg

"Die kann man leider nur noch als Beilagscheibe verwenden", sagt Hubert Ruß und schiebt die zwei Münzen über den Tisch zurück zu ihrem Besitzer, einem Ehepaar aus Gilching. Natürlich ist das sehr flapsig ausgedrückt, und Ruß - seriöser Typ, dunkler Anzug und Krawatte - sagt dann ernsthaft: "Es handelt sich um die häufigsten Münzen aus der Zeit des deutschen Kaiserreichs; zudem ist der Erhaltungszustand schlecht." Er taxiert den Wert auf acht bis zehn Euro. Das Ehepaar nickt und wirkt etwas enttäuscht. Sie sind wie 40 andere Interessenten auch mit ihren Schätzchen, Münzen und Medaillen, die oft in Schränken oder Schubladen gelegen sind, in die Starnberger Kreissparkasse gekommen. Diese bietet an diesem Dienstag einen besonderen Service: Der Münchner Münzexperte Ruß begutachtet und bewertet die Münzen und Medaillen, die oft Erbstücke sind.

Münzexperte Hubert Ruß erklärt den Preisunterschied zwischen Gold und Silber. (Foto: Nila Thiel)

Sein Handwerkszeug liegt auf dem Tisch: Lupe, Taschenrechner, Laptop mit einer Datenbank. "Bei Münzen zählt der Erhaltungszustand inzwischen viel mehr als deren Alter", erklärt Ruß, und schon kommt der nächste herein. Ein Mann aus Weßling, ein Maler, der ein Säckchen unbekannten Inhalts ganz unten in einem Topf voller Pinsel gefunden hatte. Zum Vorschein kommt eine Bronzemedaille des oberschwäbischen Klosters Weingarten, die das Reliquiar vom Heiligen Blut Christi zeigt. Mit der Lupe betrachtet Ruß die Medaille und gleicht sie mit seiner Datenbank ab. Auf 40 bis 50 Euro schätzt er den Wert.

Ein Kilo Gold kostet rund 34600 Euro. (Foto: Nila Thiel)

Ein Mann aus Stockdorf bringt einen Zecchino, eine Münze, die 1758 im Vatikan geprägt wurde. Sie ist allerdings in einen Ring gefasst, was den Wert deutlich auf rund 150 Euro mindert. "Jetzt wird's goldig", sagt Ruß, als Goldmünzen vor ihm liegen, die ein Ehepaar aus Gauting dabei hat. Die Dukaten und ein britisches Pfund sind etwa 820 Euro wert. "Die wollen wir zu einer Taufe verschenken", erklärt die Frau. "Besser, als wenn sie rumliegen." Am häufigsten liegen Fünf- und Zehn-Mark-Sondermünzen auf dem Tisch, ehemalige Zahlungsmittel, die millionenfach geprägt wurden. "Man kann sie eigentlich nur bei der Bundesbank-Niederlassung in München in Euro eintauschen", sagt Ruß.

Ein Silberring auf der Waage: Ein Kilo Silber kostet 430 Euro. (Foto: Nila Thiel)

Er ist promovierter Historiker und hatte sich schon während seines Studiums auf das Mittelalter, insbesondere auf Wappen und Münzen spezialisiert. "Münzen erzählen Geschichte", sagt er. Angefangen hat er in einem Museum, dann ging er in den Münzhandel, und schließlich in die Numismatik bei der Privatbank Hauck & Aufhäuser in München. Die wollte den Münzhandel verkaufen, und Ruß schlug selbst zu. Ein klassisches Management-Buyout. Seitdem ist Ruß geschäftsführender Vorstand von "Künker am Dom" in München und in Bayern der einzige "vereidigte Sachverständige für Münzen und Medaillen des Mittelalters und der Neuzeit".

Die richtig wertvollen Exemplare werden bei Auktionen angeboten. Das teuerste Stück, das Ruß jemals versteigert hat, war ein Familienrubel des russischen Zaren Nikolaus I. aus dem Jahr 1826. Die Münze brachte 650 000 Euro. So etwas ist ihm bei den Begutachtungen noch nicht untergekommen. Am wertvollsten war bislang ein Goldkronacher Ausbeute-Dukat. "Ein kleines Stück, das unter lauter Goldmark lag. Es hat bei der Auktion 95 000 Euro gebracht." In der Kreissparkasse summiert sich bis zum frühen Nachmittag der Wert von Münzen, die aus einem einzigen Sack auf den Tisch purzeln, auf etwa 15 000 Euro. Immerhin. Bleibt die Frage, ob Ruß selbst Münzen sammelt. "Nein", sagt er und lacht. "Meine Arbeit ist mir da genug."

© SZ vom 25.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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