Gauting:Vorsorgen für den Notfall

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Den 100. Beratungstag in der Gautinger Insel feiern Andrea Flotzinger, Claudia Mettler, Dirk Hagena und Jürgen Sklarek (von links) mit Konfetti. (Foto: Georgine Treybal)

Wer trifft nötige Entscheidungen, wenn man selbst nicht in der Lage ist? Jeder sollte eine Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung haben, findet Dirk Hagena. Der ehemalige Internist bietet kostenfreie Beratungen an.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Gauting

Ob Vorsorgevollmacht, Patienten- oder Betreuungsverfügung: Wer sichergehen will, dass er auch im Notfall selbst über sein Schicksal bestimmen kann, sollte sich frühzeitig mit dem Thema befassen. Um sich in die Hände eines Bevollmächtigten zu begeben, dafür ist allerdings großes Vertrauen erforderlich. Deshalb sind viele Menschen verunsichert. "Es sind viele Hemmungen da", räumt Dirk Hagena, Vorstandsmitglied des Vereins für Betreuungen im Landkreis Starnberg, ein. Nach seinen Angaben wissen zwar 80 Prozent der Deutschen, wie wichtig entsprechende Vollmachten sind. "Aber weniger als 50 Prozent haben so etwas", erklärt der ehemalige Internist. Seit 14 Jahren bietet die Gautinger Insel deshalb einmal im Monat Beratungen zu diesem Thema an. Am Montag hat die Einrichtung im Beisein des Zweiten Gautinger Bürgermeisters Jürgen Sklarek (MiFü) ihren 100. Beratungstag gefeiert.

Das Angebot ist einzigartig im Landkreis und die Termine sind bereits bis Mai ausgebucht. Dies zeigt, wie hoch der Bedarf ist. "Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht - beides ist gleich wichtig", betont Sklarek. Auch er kann nachvollziehen, wenn Menschen unsicher sind, ob sie entsprechende Vollmachten erteilen sollen. Sie hätten Bedenken, dass sie womöglich keinen Einfluss mehr haben, sobald sie ihre Unterschrift unter das Formular gesetzt haben. Da kann Dirk Hagena beruhigen, denn die Vollmachten könnten jederzeit geändert und andere Personen als Bevollmächtigte eingesetzt werden.

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Nach etwa 350 Beratungen, die Hagena in den vergangenen 14 Jahren geleistet hat, wirbt er darum, dass alle Menschen Vorsorge für den Notfall treffen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man einmal als Notfall-Patient ins Krankenhaus komme, beispielsweise nach einem Unfall, liege bei zirka 70 Prozent, sagt Hagena. "Jeder kann in diese Situation kommen." Und wenn keine entsprechende Verfügung vorliegt, dürften im Notfall nicht einmal Eltern für ihre volljährigen Kinder entscheiden. Sie müssten sich erst vom Gericht als Betreuer einsetzen lassen und das koste Zeit. Hagena rät davon ab, diese Entscheidungen von einem gerichtlich eingesetzten Bevollmächtigten treffen zu lassen. Nach seiner Erfahrung haben gesetzliche Betreuer oft bis zu 45 Klienten und entsprechend wenig Zeit für den Einzelnen. Meist könnten sie nur eine Stunde pro Woche erübrigen. "Das ist ein Notnagel", so Hagena.

Bei den Beratungen werden alle Risiken und Bedenken besprochen. Wie die Leiterin der Gautinger Insel, Claudia Mettler, betont, können Klienten ihre Vorsorgeformulare mitbringen und sie werden bei Bedarf beim Ausfüllen unterstützt. Die Beratungen sind laut Mettler sehr individuell. Es werden Einzelberatungen angeboten, aber auch Gespräche für Paare oder für Eltern mit ihren Kindern. Auf diese Weise können nach den Erfahrungen des früheren Internisten Hagena alle Vorbehalte ausgeräumt werden.

Vollmachten entlasten die Angehörigen

Der Berater weiß, dass es für Verfügungen viel gegenseitiges Vertrauen braucht. Das müsse besprochen werden, erklärt er. Aber am Ende gingen sogar die Skeptiker unter den Klienten erleichtert aus den Beratungen heraus. Hagena ist überzeugt, dass die Vollmachten nur in sehr wenigen Fällen ausgenutzt werden. Wenn man nicht mehr geschäftsfähig sei, komme man ohnehin nicht daran vorbei, erklärt er.

Die Vollmachten sind laut Hagena insbesondere auch wichtig zur Entlastung der Angehörigen. Schließlich müsse der Bevollmächtigte im Notfall entscheiden, ob etwa eine Behandlung abgebrochen werden soll. Hagena empfiehlt, grundsätzlich nicht nur eine Person als Bevollmächtigten einzusetzen. Denn übergangene Geschwister würden gegebenenfalls ihr Mitspracherecht gerichtlich einfordern, die Umsetzung der Patientenverfügung verzögere sich dann, nicht selten sogar über lange Zeit. Hagena rät deshalb dazu, mehrere Vollmachten zu erstellen. Wenn möglich, sollten neben den Ehegatten zu deren Unterstützung auch die Kinder bevollmächtigt werden - sofern diese auch willens sind, die Verantwortung für so eine schwere Aufgabe zu übernehmen. Damit es im Ernstfall dann keine Streitigkeiten unter den Angehörigen über das weitere Vorgehen gibt, muss der Vollmachtgeber mit seiner Familie seine Vorstellungen und Wünsche sehr klar absprechen.

Der Verein für Betreuungen Starnberg-Landsberg hat derzeit sein Angebot zur Übernahme von gesetzlichen Betreuungen ausgesetzt. Hagena begründet es mit der zu geringen Vergütung. Das Problem sei allerdings, dass die Betreuungen mit dem Beratungsangebot gekoppelt seien und der Verein nun die Zuschüsse verliere. Noch werden die Leistungen des Vereins kostenlos und ehrenamtlich zur Verfügung gestellt. Aber er wisse nicht, wie lange das noch möglich sei.

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