Gastronomie:Neustart unter Extrembedingungen

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Vor einem Jahr vereitelten Corona und der Teil-Lockdown die reguläre Eröffnung des Gasthofs Schauer in Possenhofen. Das Wirtsehepaar Ziesel rettete sich mit Essen "To Go" und "Take Away" über die Runden. Heute hat das Restaurant sogar elf Mitarbeiter mehr

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

Verstärkung in der Küche: das Team mit Wirt Christoph Ziesel (4. von rechts) und einer Auszubildenden. (Foto: Georgine Treybal)

Sie haben ihre Jobs gekündigt und ihr eigenes Unternehmen gegründet, 14 Mitarbeiter eingestellt und eine sechsstellige Summe investiert. Drei Monate lang bereiteten Verena und Christoph Ziesel im vergangenen Jahr die Eröffnung des Gasthofs "Zum Fischmeister Karl Schauer" in Possenhofen vor. Dann kamen Corona und der teilweise Lockdown. Und alles war auf einmal anders.

Heute nach genau einem Jahr ist das Pächterehepaar erleichtert, und Küchenchef Christoph Ziesel verbreitet Zweckoptimismus. "Der Neustart war extrem spannend", sagt er. "Aber wir haben es überstanden." Die Wirte standen damals vor der Entscheidung, ob sie das Gasthaus überhaupt öffnen sollten. Doch Aufgeben kam für sie nicht in Frage, ihre Mitarbeiter wollten sie ebenfalls behalten. Kurzentschlossen stellten sie im Biergarten vor dem etwa 200 Jahre alten, denkmalgeschützten Gasthof Buden auf und verkauften Fischmeister-Semmeln, Glühwein oder Spritz. "Die Leute haben sich gefreut, dass der Platz wieder belebt wird und sich etwas rührt", sagt die Geschäftsführerin Ziesel vor dem Hintergrund, dass das Gasthaus seit den 1970-er Jahren geschlossen war. Auch eine Wochenkarte fürs Essen zum Mitnehmen arbeiteten die Wirte mit ihren Mitarbeitern aus, zudem beantragten sie für ihre Angestellten Kurzarbeitergeld. Später bekamen die Wirte Überbrückungsgeld. Wenngleich es monatelang auf sich warten ließ, kamen die Ziesels nach eigenen Angaben gut über die Runden. Denn das Ehepaar hatte einen finanziellen Puffer eingebaut. "Wir haben das Team mitgenommen und gute Leute zusätzlich eingestellt", erzählt Christoph Ziesel. Heute arbeiten zusammen mit den Aushilfskräften insgesamt 25 Mitarbeiter im Restaurantbetrieb. Sogar eine Auszubildende konnten die Wirtsleute im September einstellen.

Das Bild zeigt Jana Nienaber, die gerade Saibling auf Risotto mit Rüben serviert. (Foto: Georgine Treybal)

Dabei sei ihnen ihre Berufserfahrung im Cateringbereich zugutegekommen, erklärt der gelernte Koch, der bei der Münchener Firma Dahlmann gearbeitet hat, bevor er sich selbständig machte. Gerade in diesem Bereich lernt man laut Christoph Ziesel, sich auf Unvorhergesehenes einzustellen, schnell zu reagieren und Probleme zu lösen.

Sein Ziel, eine ehrliche regionale Küche anzubieten auf hohem Niveau, habe er auch während der Pandemie umsetzen können. Der Einkauf wird direkt vor Ort getätigt, bei Bauern, Fisch- und Wildlieferanten oder bei Bäckereien. Unter den Erzeugern hat sich der Koch offenbar einen guten Ruf erarbeitet. Ziesel zufolge gibt es immer häufiger Anfragen von Anbietern, die ihn beliefern wollen. Seine Küche sei auch bei den Gästen beliebt. Schnell habe man im vergangenen Jahr Stammgäste gewinnen können, die jede Woche Take-away-Gerichte bestellt hätten. Als im Mai endlich der Biergarten und später das Restaurant geöffnet werden konnten, seien die Stammgäste gerne wieder gekommen, erinnert sich die Restaurantfachfrau Verena Ziesel, die ebenfalls Berufserfahrung bei einem Catering-Unternehmen gesammelt hat. "Die Stammgäste haben uns die Treue gehalten. Wir bekommen viel positives Feedback zurück, und das hat uns motiviert weiterzumachen", sagt sich.

Großes Lob gibt es von den Ziesels auch für die Gemeinde Pöcking, die das Anwesen an Manuel Kindervater und Florian Huber in Erbpacht vergeben hat. Die Investorengemeinschaft hat das Gasthaus liebevoll saniert und den Pächtern sogar eine Dienstwohnung zur Verfügung gestellt. Bei der Pacht sei ihnen die Gemeinde entgegengekommen, auch die Kostenbeteiligung für die Beleuchtung des neuen Parkplatzes sei ihnen erspart geblieben, sagt Verena Ziesel.

Die Wirte hatten nicht damit gerechnet, dass die Lockdown-Einschränkungen monatelang dauern. Doch heute sind sie davon überzeugt, dass sie auch alle künftigen Probleme meistern werden. "Nach so einem Start haut einen nichts mehr so leicht um", glaubt Christoph Ziesel. Die nächste Corona-Welle werde auf sie zukommen, sind sie überzeugt. Es werde auf die Vorgabe "3 G plus" hinauslaufen. Da rund 95 Prozent ihrer Stammgäste zwei Mal geimpft seien, müssten nur wenige der Gäste einen Test mitbringen, sagt Verena Ziesel. Bis Weihnachten gebe es bereits viele Reservierungen. Da für die Feiern durchschnittlich 40 Gäste angemeldet seien, könnten die Hygienebestimmungen sehr gut eingehalten werden. Und wenn es dennoch wieder einen Lockdown geben sollte? "Es gibt keinen Plan B. Da muss man einfach durch", sagt Christoph Ziesel.

© SZ vom 05.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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