Fünfseenland:Radler brauchen Geduld

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Einige Bürgermeister würden gerne Schutzstreifen auf Straßen markieren, stoßen damit aber auf Widerstände bei Behörden. Die Beleuchtung für einen Radweg in Weßling war leichter zu realisieren

Von Christiane Bracht, Starnberg

Gerhard Hippmann jubiliert. Er ist Mitorganisator des Stadtradelns, aktiv im Mobilwendeverein Weßling und selbst passionierter Radler. Jede Nachricht für Radler, positiv wie negativ, spürt er im Internet auf und verteilt sie per Newsletter. "Mittlerweile wurden fast alle Chefsachen Radverkehr umgesetzt. Das ist doch ein toller Erfolg", sagt er begeistert.

Im vergangenen Jahr hatten die Stadtradler im Landkreis Starnberg die Aktion ins Leben gerufen. Bürgermeister oder der Landrat konnten ein Projekt zur Chefsache erklären, damit es besonders zügig umgesetzt wird. Die Resonanz war enttäuschend. Nur drei von 14 Bürgermeistern setzten sich für die Sicherheit der Radler auf den Straßen ihrer Gemeinde ein. Oft tun sie sich schwer. Die Widerstände sind groß, die Verwaltungen langsam. In vielen langen Sitzungen debattierten die Gemeinderäte, erwogen die Nachteile, rangen um andere Lösungen, dennoch votierte manch einer gegen die Neuerung. Nicht immer war es die Minderheit.

Oft wehrten sich auch Geschäftsleute. Die Argumente sind fast überall gleich: zu hohe Kosten und wegfallende Parkplätze. Auch das Landratsamt und die Polizei zeigten sich nicht immer aufgeschlossen für die Ideen der Bürgermeister. Anträge der Kommunen wurden abgelehnt oder deren Tauglichkeit im Alltagsverkehr angezweifelt. Die Straßen würden zu eng, hieß es meist. Ein markierter Radlerstreifen suggeriere eine Sicherheit, die es an der Stelle nicht gebe. "Wenn man die Behörden fragt, kommt ein Bedenken nach dem anderen", sagt die Starnberger Bürgermeisterin Eva John. "Gut, dass die Stadt auf vielen Wegen den Schutzstreifen trotzdem anordnen kann. Man muss sich nur trauen. Die Bedenken bewahrheiten sich eigentlich nie." An vielen Stellen in Starnberg hat sie sich bereits durchgesetzt. Bei einigen Radlern steht sie deshalb hoch im Kurs. Ihre Risikobereitschaft macht ihnen Mut, sich für ihre Belange, vor allem aber mehr Sicherheit auf den Straßen einzusetzen.

Radeln ist eine anspruchsvolle Angelegenheit - insbesondere in jenen Kommunen, die dem Autoverkehr absoluten Vorrang eingeräumt haben. (Foto: Nila Thiel)

Doch bei ihrer "Chefsache", der Hauptstraße, kann John nicht so, wie sie will. Es ist eine Bundesstraße. Sie braucht eine verkehrsrechtliche Anordnung, um einen Schutzstreifen für Radler ziehen zu können. Seit zwei Jahren verhandelt sie deshalb mit Landratsamt und staatlichem Bauamt. "Die Autofahrer dürfen nicht eingeschränkt werden", sagt sie. Und daran habe das Landratsamt Zweifel. Deshalb hat sie die Straße neu ausgemessen. Die Markierung fehlt zwar noch immer, aber John ist zuversichtlich: "Der Landkreis will ja den Radverkehr fördern." John hofft, noch in diesem Jahr ihr Projekt abschließen zu können.

Auch die Wörthseer Bürgermeisterin Christa Muggenthal muss sich in Geduld üben. Gerade noch dachte sie, ihr Projekt, den Radstreifen auf der Straße Richtung Etterschlag, nach etwa eineinhalb Jahren umsetzen zu können, weil der Gemeinderat nach einigem Hin und Her dieser Lösung doch noch probeweise zugestimmt hatte. Aber die Wasser- und Abwasserbetriebe AWA Ammersee bremsen Muggenthal jetzt aus. Die AWA will demnächst genau auf der Straßenseite, auf der die gestrichelte Linie gezogen werden sollte, die Wasserleitungen aufgraben. Der Wasserdruck nach Etterschlag sei zu gering, deshalb müsse man dort etwas verändern, hieß es in einem Schreiben. Der Fahrradstreifen muss also noch eineinhalb Jahre warten, bis er realisiert werden kann. Ob er dann bleibt, hängt davon ab, ob sich die Befürchtungen der Kritiker bestätigen. Hauptkritikpunkt waren die weggefallenen Parkplätze, über die sich vor allem die Geschäftsleute beklagen.

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(Foto: Arlet Ulfers)

Haben Forderungen und Ansprüche der Radfahrer in ihren Gemeinden zur "Chefsache" erklärt: Die Bürgermeister Eva John (Starnberg),...

...Michael Muther (Weßling)...

...und Christa Muggenthal (Wörthsee).

Mehr Erfolg als seine beiden Amtskolleginnen hatte der Weßlinger Bürgermeister Michael Muther. Er ist der einzige, der zwei Projekte in die Hand genommen hat und sogar beide realisieren konnte. Insoweit hat Hippmann also tatsächlich Grund zu jubilieren. Muther hatte sich für eine Beleuchtung des Rad- und Gehwegs bis zum Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) eingesetzt, weil er immer wieder festgestellt hat, dass besonders im Herbst und Winter die dunkel gekleideten Fußgänger für Radler schwer zu sehen sind. Und dort laufen viele Leute zum Bahnhof. Gefährlich sei auch, dass die Autos die Radfahrer blendeten. Muther fürchtete schon schlimme Unfälle. "Bis wir das richtige Lampenmodell gefunden hatten, ist es im Rat ein paar mal hin und her gegangen", erzählt er. Und die Firma, die die Leuchten anbringen wollte, hatte auch nicht sofort Zeit. Um so mehr freut es den Weßlinger Rathauschef, dass der Weg jetzt sicherer geworden ist.

Größeres Kopfzerbrechen bereitete ihm die Verkehrsführung an der neuen Umgehungsstraße. Ursprünglich sollten die Radler ein Stück auf der neuen Straße fahren und dann abbiegen. "Da hätte man nicht lang drauf warten müssen, bis der erste zusammengefahren worden wäre", sagt Muther. Nun ist eine Unterführung mit einer Steigung von sechs Prozent gebaut worden und der Weg nach langen Debatten ähnlich eben wie die Straße nebendran. Eröffnet wird er aber erst am 28. November, wenn auch die Umgehungsstraße freigegeben wird. "Es ist wichtig, dass wir die Wege für Radler attraktiv machen, denn nur so können wir den Staus überall entgegenwirken", sagt Muther überzeugt. "Der Verkehr hat so zugenommen, dass wir froh sein können, wenn die Leute Fuß- und Radwege nutzen."

Die Radler sind übrigens zufrieden mit der Unterführung, auch wenn sie künftig einen kleinen Umweg fahren müssen. "Der Weg ist nicht optimal, aber wir kommen gefahrlos über die Straße", sagt Stadtradler Gerhard Sailer, der an dem Kompromiss mitgewirkt hat.

Auch wenn die "Chefsache Radverkehr" noch nicht überall realisiert ist, so hat der bisherige Erfolg Sailer motiviert. Er überlegt bereits, nächstes Jahr noch einmal die Rathauschefs anzuspornen, ein Projekt in ihrem Ort voranzutreiben. Diesmal sollen sie aber ihre Radler um Unterstützung bitten können, um besser auf Brennpunkte aufmerksam machen zu können. Gleichzeitig sollen die Bürger die Chance haben, sich aktiv an Veränderungsprozessen zu beteiligen, indem sie auf problematische Stellen aufmerksam machen und genau dafür ihre Kilometer sammeln. Voraussichtlich wird Mitte Juni wieder in die Pedale getreten.

© SZ vom 28.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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