Fünfseen-Filmfestival:Welt am See

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Das Programm des Kinomarathons ist wieder fast so umfangreich und so vielfältig wie in den Vorjahren

Von Gerhard Summer

Die Zahlen sind wie immer beeindruckend: Bei Matthias Helwigs 12. internationalem Fünfseen-Filmfestival werden von 6. bis 15. September etwa 150 Filme an fünf Spielorten und auf 13 Leinwänden zu sehen sein. Neun Wettbewerbe und die traditionelle Dampferfahrt stehen an, zu den gut 250 Vorstellungen könnten wie in den Vorjahren bis zu 20 000 Besucher kommen. Abgesehen vom Termin, den Helwig vom Sommer in den Frühherbst verlegt hat, klingt das alles vertraut. Dabei hatte der Festivalchef vorgehabt, das Großereignis zu schrumpfen, um nicht wieder ein Defizit tragen zu müssen. Am Ende hat er sich anders entschieden. Zum Glück.

Eröffnung

Auftakt ist am Donnerstag, 6. September, 19.30 Uhr, in der Starnberger Schlossberghalle, mit voraussichtlich 300 Gästen. Moderatorin ist wie immer Marieke Oeffinger, als Eröffnungsfilm hat Helwig "Styx" ausgewählt. In dem Drama des österreichischen Regisseurs Wolfgang Fischer geht es um das Scheitern der Kölner Notärztin Rike, die sich allein auf ihrem Segelboot zu einem langen Urlaubstörn aufmacht und nach einem Sturm neben einem havarierten Fischerboot landet. Die Besatzung schwebt in Lebensgefahr, Rike versucht vergeblich, über Funk Retter zu alarmieren. Ika Künzel, Co-Autorin des Films, spricht über die Entstehung des Dramas.

Ehrengäste

"Zwei Herren im Anzug" - der Filmtitel passt fast. Allerdings gehört neben dem Ambacher Sepp Bierbichler und dem Münchner Regisseur Dominik Graf auch die Filmeditorin Bettina Böhler zu den Ehrengästen. Bierbichler taucht fünfmal auf dem Festival auf. Unter anderem diskutiert er am 9. September mit Graf in der Politischen Akademie Tutzing über "Verfilmte Zeit" und stellt abends seinen Film "Zwei Herren im Anzug" in Gauting vor. Graf wiederum ist am 8. und 9. September dabei, wenn sein neues Drama "Hanne" mit Iris Berben und frühere Werke wie "Die geliebten Schwestern" oder "Die Sieger" im Kino Starnberg laufen. Bettina Böhler spricht am 13. September mit dem Journalisten Moritz Holfelder über "Rhythmus im Film", anschließend wird in der evangelischen Akademie Tutzing der Horizonte-Filmpreis verliehen.

Debatten

Beim Werkstattgespräch am 7. September im Kino Gauting stellen die Autoren und Macher von "303" und "Styx" die Drehbücher und die Entstehungsgeschichte der Filme vor. Um die Zukunft des Dokumentarfilms und des Kinos geht es passenderweise am Ende des Festivals: Produzentinnen und Filmemacherinnen sprechen am 14. September darüber, ob Dokus bald nicht mehr in die Lichtspielhäuser kommen, weil die Werbeetats immer stärker schrumpfen. Und am 15. September unterhalten sich Produzenten, die Regisseure Edgar Reitz, Norbert Lechner und Felicitas Darschin sowie ein YouTube-Spezialist über den Wandel im Medienverhalten und die Folgen für den Kulturort Kino. Beide Diskurse sind im Filmtheater Gauting.

Lyrik, Musik, Dampferfahrt

Poesie mit Anton G. Leitner aus Weßling, dem Herausgeber der Zeitschrift "Das Gedicht" und Erfinder des Lyrikwettbewerbs "Stier", steht am 7. und 12. September an. Beim ersten Streich mit dem Turmschreiber und Journalisten Thomas Grasberger im Kino Gauting bleibt angeblich keine Lederhose ungeschoren. Der zweite Abend im Schloss Seefeld dreht sich mehr ums Unscheinbare, diesmal sind der Schweizer Schriftsteller Nicola Bardola und die Münchnerin Gabriele Trinckler mit von der Partie. Anschließend stehen Meisterwerke auf dem Programm, erst Herbert Achternbuschs "Servus Bayern", fünf Tage später Jim Jarmuschs "Paterson". Tango-Filme mit anschließender Milonga sind ebenfalls geboten, unter anderem am 7. September in Seefeld. Zu sehen ist "Más Tango" aus dem Jahr 2006 über Tradition und Moderne des leidenschaftlichsten Tanzes überhaupt. Mindestens zwei weitere Abenden sollten sich Festivalfans frei halten: Der Hamburger Bluesgitarrist Abi Wallenstein, der eigentlich Abraham mit Vornamen heißt, und der Pianist der Spider Murphy Gang, Ludwig Seuss aus Gauting, spielen am 9. September in der Schlossberghalle auf. Und am 11. September geht's zur Dampferfahrt auf der MS Starnberg. Auf dem schwimmenden Kino sind auf zwei Leinwänden die drei besten Kurzfilme des Festivals zu sehen, die Zuschauer stimmen darüber ab, welche der Produktionen einen Preis erhält. Während der Auszählung begleitet Pianist Bernhard Zink live den Stummfilmklassiker "Never weaken" von Harold Lloyd. Wer nicht mit an Bord geht, ist wohl selber schuld.

Die Filme

Jede Menge Filme, die in Cannes, Berlin, Graz, Zürich, Venedig oder München Preise abgeräumt haben, laufen in den Kinos in Starnberg, Gauting und Seefeld. Leichte Stoffe sind das in der Regel nicht: "Asche ist reines Weiß" dreht sich um ein Gangsterpärchen, das auseinandergerissen wird (14. September, Gauting). "Blue my Mind" ist die Geschichte einer Verwandlung: Die 15-jährige Mia wird die zwar nicht zum kafkaesken Käfer, aber zur Meerjungfrau mit schuppig blauer Haut (7. September, Gauting). Und "Die Maske" erzählt die Geschichte eines coolen Außenseiters, der nach einem üblen Arbeitsunfall eine Gesichtstransplantation über sich ergehen lässt und als Nationalheld gefeiert wird, derweil er sich im Spiegel selbst nicht mehr erkennt (9. September, Gauting).

Meisterwerke hat Helwig in der Reihe zum Thema Zeit zusammengespannt. In der Retrospektive laufen "High Noon", "Amarcord" und "Es war einmal in Amerika", aber auch das Experiment "Fish & Cat" und Andrej Tarkowskijs Schlüsselwerk "Der Spiegel". Außerdem auf dem Programm: 35 Kurzfilme und sieben Dokumentationen, beispielsweise über eine Anthropologin, die trotz Krebserkrankung für die europäischen Meisterschaften im Gewichtheben trainiert ( "Gwendolyn", 7. September, Starnberg).

Kernstück des Kinomarathons sind 35 mitteleuropäische Streifen in der Reihe Panorama. Mit im Angebot: "Utøya 22. Juli" über den Amoklauf in Norwegen und Asghar Farhadis "Offenes Geheimnis" mit Javier Bardem und Penelope Cruz, das von Familienabgründen handelt. Schließlich gibt es noch ein Video-Art-Programm mit 15 kurzen Filmen, darunter die vom Verschwinden handelnden "Parkwächter von Marrakesch". Und der Seeshaupter Regisseur Walter Steffen, Stammgast des Kinoereignisses, ist ebenfalls wieder mit von der Partie. Er stellt seine Doku "Joy in Iran" über Clowns ohne Grenzen vor, die in Kranken- und Waisenhäusern, psychiatrischen Kliniken und Flüchtlingscamps auftreten (7. September, Schlossberghalle Starnberg).

Das Programm samt Katalog und Magazin findet sich auf www.fsff.de. Kartenbestellung ist auf der Homepage möglich. Einzeltickets kosten 9,50 Euro, wer unter 30 ist, zahlt sieben Euro. Ferner gibt es den Fünf-Filme-Pass für 40 Euro und die Akkreditierung fürs ganze Festival, die 75 Euro kostet.

© SZ vom 24.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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