Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Wie der amerikanische Generalkonsul Timothy Liston bei seinem Vortrag zum Thema "transatlantische Agenda - ein gemeinschaftliches Bekenntnis zu demokratischen Grundprinzipien" am Freitagabend in Feldafing betonte, sieht sich die USA in der Pflicht, Verstöße anzuprangern und gegebenenfalls aktiv einzuschreiten.
Das ist nach Meinung des Diplomaten aber nur in Zusammenarbeit mit der EU und anderen demokratischen Staaten möglich. "Kein America first, sondern alle zusammen", erklärte Liston, der vom Forum Feldafing eingeladen worden war. Der Verein hat sich neben Wissensvermittlung auch die Pflege der deutsch-amerikanischen Beziehungen zum Ziel gesetzt.
Dieses Jahr liegt der Programmschwerpunkt des Vereins auf der Sicherheitspolitik. Das sei für sie als Dozentin an der Münchner Bundeswehrhochschule naheliegend, sagte die Vorsitzende Manuela Pietraß. Das Thema Menschenrechtsverletzungen wurde von den Mitgliedern im fast vollen Rathaussaal rege diskutiert.
Kritik, wie etwa die Menschenrechtsverletzungen der USA in Guantanamo oder daran, dass Amerika "ein extrem von Eigeninteresse geprägtes Land" sei, umschiffte der hohe Diplomat elegant. Man müsse selbst nicht perfekt sein, um die Menschenrechte anzumahnen, erklärte er und verwies er auf die "Herausforderungen in Europa", beispielsweise die hohen Umfragewerte der AfD in Sachsen-Anhalt. Auf die Frage, was passiert, wenn US-Präsident Joe Biden die nächste Wahl nicht gewinnt, antwortete Liston, er sei sehr optimistisch, dass es gut ausgehe, weil sich die Amerikaner bei Wahlen gewöhnlich für die Mitte entschieden.
Wenngleich der Krieg in der Ukraine, in dem es laut Liston "Menschenrechtsverstöße von ungeheurem Ausmaß" gibt, Hauptthema war, prangerte der Diplomat, der unter anderem in den US-Konsulaten in Ho-Chi-Minh-Stadt und Hanoi gearbeitet hat, bevor er 2021 Generalkonsul in München wurde, auch die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in anderen Staaten an. Im Iran beispielsweise werde Homosexualität mit Auspeitschen bestraft und in Afghanistan werde Frauen der Zugang zu Bildung verwehrt. Sogar in EU-Ländern wie Polen oder Ungarn werde "die Uhr zurückgedreht" und in der Volksrepublik China gegen Muslime und andere Minderheiten vorgegangen.
"China ist aggressiver geworden", betonte Liston. Das Land habe die Absicht, die internationale Ordnung neu zu gestalten. China habe das Gespräch mit Russland angeboten, sei also der Schlüssel im Ukrainekrieg, wandte ein Besucher ein. Liston räumte ein, dass China durchaus eine konstruktive Rolle spielen könnte. Allerdings habe Putin bislang kein Zeichen gegeben, dass er an den Verhandlungstisch kommen wolle. Der Krieg kann nach Listons Meinung nur beendet werden, wenn die Vorkriegsgrenzen anerkannt werden. Schließlich habe Russland den Krieg angefangen. Die Korruption in armen Ländern wie in der Ukraine bezeichnete der Diplomat als "verdammt schwieriges Problem". Dennoch sei er überzeugt, dass die Ukrainer "für unsere Werte kämpfen".
Die USA geben nach seinen Angaben jedes Jahr Millionen für Programme aus, um amerikanische Werte zu vermitteln. Denn kritisches Denken müsse gefördert werden. Es werden beispielsweise Studenten aus autokratischen Staaten eingeladen, damit sie laut Liston sehen, was es bedeutet, in einem "safe state" zu leben, einem sicheren Land.
Für Liston bedeutet Demokratie, die Freiheit zu haben, sein individuelles Leben zu verbessern
Man dürfe aber die eigenen Werte nicht auf andere Gesellschaften übertragen, erklärte ein Besucher. "Wir wissen nicht, ob das Volk dahintersteht." Für ihn bedeute Demokratie, die Freiheit zu haben, sein individuelles Leben zu verbessern und keine Angst haben zu müssen "im Knast zu landen", so Liston. Daher müssten diejenigen, die die Menschenrechte mit Füßen treten, konsequent zur Verantwortung gezogen werden.
Grundlage dafür sei der Dialog. Man dürfe nicht aufhören zu reden, um gemeinsame Werte zusammenzubringen. "Irgendwann findet sich ein Kompromiss." Das hätten ihm seine Erfahrungen in Vietnam gezeigt.