Forschung erleben:Universität statt Schulbank

Lesezeit: 4 min

Ein Dutzend Schüler des Gautinger Otto-von-Taube-Gymnasiums besucht ein Kolleg der Technischen Universität München. Beim Wissenschaftstag präsentieren sie ihre Arbeiten, um Jüngere zu begeistern.

Von Sabine Bader, Gauting

Wer ein guter Forscher werden will, der kann nicht früh genug mit dem Forschen beginnen. Das ist, einfach formuliert, eine der Intentionen des TUM-Kollegs am Otto-von-Taube-Gymnasium in Gauting. Das wendet sich an begabte Schüler, die mathematisch-naturwissenschaftlich besonders interessiert sind.

Das bundesweit einmalige Kooperationsprojekt zwischen der Technischen Universität München (TUM) und dem Gymnasien in Gauting gibt es seit 2009 und soll wissenschaftlich orientierten Schülern der Q11 und Q12 die Möglichkeit geben, schon frühzeitig zu erkennen, welches Studienfach für sie und ihren späteren Lebensweg das richtige ist. "Die Schüler müssen begeistert sein und für eine Sache brennen", das ist für Studiendirektor Markus Greif das allerwichtigste Kriterium für die Aufnahme ins TUM-Kolleg. Natürlich müssen auch die Noten der Jugendlichen einigermaßen passen. Aber ein bestimmter Notendurchschnitt ist nicht erforderlich. "Jeder engagierte Schüler hat seine Chance", sagt Greif. Denn wichtiger als besonders gute Zensuren ist da das persönliche Bewerbungsgespräch, bei dem die Schüler noch einmal genau erläutern müssen, warum sie sich für diese oder jene Wissenschaft begeistern.

Zum Wissenschaftstag des TUM-Kollegs am Mittwoch waren dann auch viele Gäste ins Otto-von-Taube-Gymnasium gekommen, um sich über Erfahrungen der Schüler und deren Forschungsarbeiten zu informieren - unter ihnen zahlreiche Projektbetreuer der TU München, Gautings Altbürgermeisterin Brigitte Servatius und FDP-Politikerin Britta Hundesrügge. Verpflichtend war der Wissenschaftstag für alle Zehntklässler der Schule, denn sie sind die TUM-Kandidaten von morgen. In Workshops gaben ihnen die älteren Mitschüler dann Einblicke in ihre Forschungsprojekte.

In jedem Jahrgang nehmen durchschnittlich 13 bis 15 Schüler am Kolleg teil. Das sieht dann laut Greif im Alltag so aus: Am Montag, Dienstag und Donnerstag jeder Woche haben diese Schüler ein paar Stunden mehr Unterricht. So schaufeln sie sich den Mittwoch frei, den sie dann in den beiden Abiturjahrgängen an der TU München und nicht in der Schule verbringen. Im ersten Uni-Semester gibt es eine Art "Studium Generale". Dabei lernen die Jugendlichen verschiedene Fachrichtungen der Technischen Universität kennen. Danach entscheiden sie sich für eine Forschungsarbeit an einem der Lehrstühle und arbeiten dort eng mit Professoren und Dozenten zusammen.

Auch wenn das Hauptaugenmerk erklärtermaßen auf den Naturwissenschaften liegt, dürfen die anderen Schulfächer wie Fremdsprachen, Deutsch und Wirtschaft nicht zu kurz kommen. "Schließlich heißt der Abschluss ja Allgemeine Hochschulreife", sagt Greif, der nicht aus der naturwissenschaftlichen Ecke kommt und an der Schule Geschichte, Deutsch und Sozialkunde unterrichtet. Englisch ist beispielsweise verpflichtende Abi-Fremdsprache im TUM-Kolleg - schließlich ist Englisch auch Hauptsprache in den Naturwissenschaften.

Laut Greif ist der Arbeitsaufwand für TUM-Schüler nicht signifikant höher als der der anderen Abiturienten, auch wenn die Jugendlichen neben ihren schulischen Verpflichtungen noch an universitären Proseminaren und Praktika teilnehmen - zu denen auch ein mehrwöchiges Auslandspraktikum gehört. In diesem Jahrgang reisten die Schüler nach Oxford, in den amerikanischen Bundesstaat Utah und sogar nach Shanghai, um dort Firmen und Unibetriebe kennen zu lernen und Forschungsarbeiten anzufertigen. In Shanghai befassten sich TUM-Schüler in der Firma Iwis mit der Herstellung von Präzessionsketten. In Utah erkundeten sie, wie sich aus einer Flasche eine Art Rakete konstruieren lässt. Und in Oxford forschten die Schüler beim Autohersteller Mini daran, die Fertigungszeiten von Karosserieteilen weiter zu optimieren.

Und so bietet das TUM-Kolleg den Jugendlichen neben Anregungen für künftige Studienfächer auch Reiseerfahrungen und Einblicke in die Arbeitswelt anderer Länder.

Das Erbgut der Tomate

Foto: Arlet Ulfers (Foto: Arlet Ulfers)

eife Tomaten sind ein besonders schmackhaftes Gemüse, das vielfältig Einzug in die heimischen Küchen gehalten hat - sei es im Salat, in Soßen oder roh. Das wissen natürlich auch die drei Zehntklässlerinnen Anna Hott (v.l.), Tatjana Muser und Nike Häuser. Ähnlich wie Mensch und Tier verfügen auch Gemüsearten über eigenes Erbgut. Im Workshop des TUM-Kollegs in Gauting haben Schüler der zehnten Klasse nun versucht, das Erbgut der Tomate, die Desoxyribonukleinsäure (DNA), zu isolieren. Mitschüler des TUM-Kollegs schauten ihnen dabei über die Schulter und gaben praktische Tipps. Aus dem Biologieunterricht wissen die Schülerinnen, dass die DNA in Form einer Doppelhelix aufgebaut ist und ihre Bausteine vier verschiedene Nukleotide sind, die jeweils aus einem Phosphat-Rest, dem Zucker Desoxyribose und einer von vier organischen Basen (Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin, kurz A, T, G und C) bestehen. Die DNA isoliert man nun mit Hilfe von Kochsalz, Zitrone, Spülmittel, destilliertem Wasser, Isopropanol und Methylenblaulösung. Die Mädchen waren mit Feuereifer bei der Sache, auch wenn sie alle, wie sie sagen, letztlich mehr Interesse an der Biologie haben als an der Chemie.

Forschen im Reaktor

Foto: Arlet Ulfers (Foto: N/A)

Ganz schön spannend ist es für Benjamin Mahr (vorne l.) und Francisco Cudmani (hinten Mitte) zu testen, wie sich Radioaktivität am wirkungsvollsten abschirmen lässt. Um das zu erkunden, hatte Mahr vier Materialien zur Verfügung: Holz, Metall, Glas und Plastik. Das Foto zeigt ihn beim Einlegen einer Platte. Das Experiment haben Schüler des Gautinger TUM-Kollegs im Zimmer der zehnten Klasse aufgebaut. Einer von ihnen ist Lukas Rother, der sich den Reaktor in Garching für sein TUM-Forschungsprojekt ausgesucht hat. Fazit: Metall lässt so gut wie nichts mehr durch, schirmt also am besten ab. Der Schüler wollte aber nicht nur dies herausfinden. Er erkundete auch, wie sich Radioaktivität mit zunehmendem Abstand zur Strahlungsquelle verhält. Sein Ergebnis: Verdoppelt man den Abstand, viertelt sich die Strahlung. Als Versuchsobjekt beim TUM-Workshop im Gautinger Gymnasium diente den Schülern in dieser Woche übrigens eine schwach radioaktive Probe, die auch für den Unterricht zugelassen ist. Mit Hilfe eines Messgeräts, eines Lineals und austauschbarer Platten aus unterschiedlichen Materialien konnten die Zehntklässler nun auch selbst die Tests ihrer älteren Mitschüler nachvollziehen.

Mehr Sicherheit auf der Straße

Foto: Arlet Ulfers (Foto: N/A)

So gut wie alle bewegen sich im Straßenverkehr - sei es als Fußgänger, Radler ober Autofahrer. Auch Julia Kölker, die am Fahrsimulator im Klassenzimmer sitzt. Und sie weiß auch um die Risiken auf der Straße. Denn Autofahrer machen Fehler, Radler und Fußgänger auch. Und viele Verkehrsteilnehmer machen viele Fehler. Ein Teufelskreis. Luis Ammon untersuchte darum Minimalabstände zwischen Autofahrer und Radler im Kreuzungsbereich. Sein Ergebnis: Ab einem Abstand von 15 bis 20 Zentimetern wird es wirklich kritisch, Abstände von einem bis 1,50 Metern sind recht sicher. Die Autoindustrie befasst sich seit geraumer Zeit auch mit dem autonomen Autofahren - also dem Fahren ohne Fahrer. Ist die Technik erst einmal ausgereift, soll sie Fehler minimieren. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Natürlich haben Autos bereits Tempomaten, Einparkhilfen und andere Fahrerleichterungen. Aber noch ist es schwer vorstellbar, dass sich der Fahrer bei Stopp and Go im Stadtverkehr entspannt ein Video ansieht oder eine Kaffeepause macht. Geschweige denn ganz zu Hause bleibt.

© SZ vom 09.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: