Flüchtlingspolitik:"Viele sind ausgebrannt"

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Beatrice Duday, 61, hat einen Minijob in der Gemeinschaftsunterkunft Percha für Asylbewerber. Die studierte Dolmetscherin regte den Runden Tisch für Asyl, Migration und Integration an. (Foto: Arlet Ulfers)

Beatrice Duday hat einen Runden Tisch für Asyl und Integration angeregt - sie hofft auf mehr Helfer.

Interview von Christina Rebhahn-Roither, Starnberg

Beatrice Duday ist studierte Dolmetscherin und hat einen durch Spenden finanzierten Minijob in der vollbelegten Gemeinschaftsunterkunft Percha für Asylbewerber. Die 61-Jährige weiß um die Situation von Geflüchteten in Starnberg und hat einen Runden Tisch für Asyl, Migration und Integration angeregt, der sich seit Juni drei Mal getroffen hat. Sie wünscht sich wieder mehr Ehrenamtliche.

Frau Duday, Sie haben den Runden Tisch ursprünglich angeregt. Warum?

Beatrice Duday: Ich habe seit 2017 festgestellt, dass die Ehrenamtlichen immer weniger wurden. Gleichzeitig sehe ich immer mehr, was zu tun ist. Zum Beispiel Besuche in Schulen oder beim Jugendamt. Oft sind es unglaublich viele kleine Puzzleteile, die ineinandergefügt werden müssen. Da habe ich gedacht: Es kann nicht sein, dass Ehrenamtliche sich einzeln einarbeiten, und mir kam die Idee, sich breiter zu vernetzen. Dadurch könnten sie sich schneller mit jemandem austauschen, der sich in einem Bereich schon auskennt. Ein Beispiel wäre ein Kontakt beim Klinikum für schwangere geflüchtete Frauen.

Sie selbst sind in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber tätig. Wie geht es den Menschen dort aktuell?

Die Menschen, die schon länger da sind, haben sich mit ihrem Leben weitestgehend arrangiert. Für die neu Ankommenden ist es erst mal eine vollkommen neue Welt. Einige von denen sprechen so gut wie kein Wort Deutsch. Diesen Menschen geht es nicht so gut, weil sie noch nicht wissen: Wo sind sie? Wie geht es alles weiter? Anfangs habe ich in Percha mit Kindern gelernt. Weil es aber an vielen Stellen hakt, mache ich jetzt vieles: von Wohnungssuche bis zur Begleitung, wenn ein Disziplinarausschuss in der Schule zur Debatte steht.

Woran hakt es denn noch?

Es hakt zum Beispiel daran, dass viele Bewohner schon lange anerkannte Flüchtlinge sind, aber einfach nicht ausziehen können aus der Unterkunft. Für anerkannte Flüchtlinge - das ist die Gesetzeslage - ist die Regierung von Oberbayern für die Unterbringung in Flüchtlingsunterkünften nicht mehr zuständig. Diese Leute gelten als Fehlbeleger und müssen sich eigentlich eine Wohnung suchen. Finden Sie mal im Landkreis Starnberg eine Wohnung. Wenn Sie eine neunköpfige afghanische Familie sind - alle anerkannte Flüchtlinge - dann ist das Thema Wohnungssuche ein schier unlösbares Problem.

Welche Themen hat der Runde Tisch bei den bisher drei Treffen besprochen?

Der Runde Tisch soll eine breit gefächerte und gut vernetzte Plattform werden, für alle, die sich engagieren wollen. Derzeit ist das Hauptthema, neue Ehrenamtliche zu finden. Davon haben wir viel zu wenige. Ich glaube, viele sind ausgebrannt, weil sie feststellten, dass Aufgaben wie Ämtergänge mehr Zeit in Anspruch nehmen als geplant und sie nicht umsetzen konnten, was sie sich vorgenommen haben. Es gibt definitiv Bedarf für den Runden Tisch, und es sind wirklich gut vernetzte Entscheidungsträger dabei: Museum, Jugendtreff, Stadträte und viele mehr, allen voran möchte ich beide Kirchen nennen. Wenn alle dabeibleiben, kann daraus etwas extrem Gutes entstehen.

Wenn es einen Runden Tisch braucht, heißt das, dass bisherige Bemühungen zur Integration nicht ausreichten?

Nach dem Jahr 2015 waren viele Menschen erst mal sehr hilfsbereit. Es wurden tonnenweise Klamotten und andere Hilfsgüter gespendet, viel zu viele. Dann schlief es ein. Die Politik hat sich in manchen Teilen darauf verlassen, dass die Ehrenamtlichen schon den Großteil der Integrationsarbeit vor Ort leisten werden. Wer sich aber in Sicherheit wiegt, dass die vielen Ehrenamtlichen einen super Job machen, sieht nicht, dass immer mehr ausgebrannt sind.

Wo können Ehrenamtliche konkret helfen und welche Voraussetzungen sollten sie mitbringen?

Wohnungssuche, Sprachvermittlung, Begleitungsgänge. Es gibt tausend Möglichkeiten. Sie müssen Zeit haben, einen langen Atem, vielleicht auch die Neugierde, aber Sie müssen zum Beispiel keine speziellen Sprachkenntnisse mitbringen.

Welche Anreize braucht es, um neue Ehrenamtliche zu gewinnen?

Es gibt kein Rezept dafür, Ehrenamtliche zu gewinnen. Aber wir wollen den Interessierten vermitteln, dass ein Ehrenamt im Bereich der Flüchtlingshilfe Spaß machen kann und auch das Kennenlernen anderer Kulturen durchaus sehr bereichernd für einen selbst sein kann.

Was sind Ihre Forderungen an Politiker?

Ich hätte gerne, dass Anträge schneller bearbeitet werden und die Bürokratie ein wenig unkomplizierter wird. Außerdem wäre es schön, wenn quer durch alle Parteien und Gruppierungen wieder mehr Interesse daran wächst, alle ausländischen Mitbürger weitgehend zu integrieren. Hier wünsche ich mir auch konkrete Initiativen.

© SZ vom 20.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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