Flüchtlinge:Wieder unterwegs

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Viele Flüchtlinge müssen sich ungewollt erneut auf den Weg machen. Sie werden verlegt in neue Containeranlagen. So will es die neue bayerische Linie. Helferkreise sind bestürzt

Von Michael Berzl, Starnberg

Zu fünft stehen die jungen Männer aus Somalia im Schatten eines Baumes und beäugen etwas missmutig die neue Containeranlage auf einer Wiese am Ortsrand von Seefeld. In Autos wurden sie am Donnerstag hierher chauffiert, um sich selbst einen Eindruck zu verschaffen. In diese Anlage sollen sie umziehen am Montag; dabei haben sie sich doch schon eingelebt in Gauting, wo sich ein rühriger Helferkreis um sie kümmert und wo sie sich langsam auskennen. Dort an der Bergstraße wohnen die Flüchtlinge aus Afrika in einen richtigen Haus in attraktiver Lage, künftig sollen sie in einer Behelfsunterkunft mit Stockbetten und Blechspinden leben. Sie sehen sich um, machen mit ihren Smartphones Fotos von den Zimmern und prüfen, ob das Schloss am Spind wenigstens funktioniert. Sie wollen nicht hierher, sie wollen lieber in Gauting bleiben, erklärt vehement ein 22-Jähriger. Doch der behördlich angeordnete Umzug wird wohl kein Einzelfall bleiben.

Manche sind schon mehr als ein Jahr da, andere sind erst vor einigen Monaten nach langen Reisen aus Afghanistan, Syrien, Somalia oder dem Irak im Fünfseenland angekommen. Nun müssen sich viele Flüchtlinge ungewollt erneut auf den Weg machen. Sie ziehen um von Wohnungen oder Zelten in Container anlagen. Am kommenden Montag werden einige von ihnen in Bussen von Tutzing nach Krailling und von Gauting nach Seefeld gebracht. Weitere Umzüge folgen.

Die neue Containeranlage in Seefeld ist kaum zu unterscheiden von den anderen Unterkünften dieser Art. Am Montag ziehen dort die ersten Flüchtlinge ein. (Foto: Georgine Treybal)

Die neue bayerische Linie verursacht einige Unruhe und auch Unmut bei Flüchtlingen und in Helferkreisen. Zwei Monate ist es nun her, dass der Ministerrat auf Vorschlag von Sozialministerin Emilia Müller die "Anpassung der bayerischen Asylbewerberunterbringung" beschlossen hat, wie das im Bericht aus der Kabinettssitzung heißt. "Umsteuerung" nennt sich das in der Sprache der Politiker, was gerade im ganzen Freistaat passiert. Gesteuert wird gegen die bisherige Strategie des Landkreises Starnberg; größere Einheiten statt dezentrale Unterkünfte, lautet jetzt die Devise. Landesweit herrscht deshalb große Aufregung in Helferkreisen, weiß Claudia von Maltitz aus Krailling, die sich mit viel Hingabe federführend um Flüchtlinge in Gauting kümmert. Zahlreiche Mails habe sie deshalb in diesen Tagen aus ganz Bayern bekommen. "Was das mit den Menschen macht, fällt da völlig raus", klagt sie.

Die neue Linie setzt gezwungenermaßen auch das Starnberger Landratsamt um. Aktuelles Beispiel ist die Auflösung der Unterkunft an der Bergstraße in Gauting, wo bisher 28 Asylbewerber wohnen. Nach Darstellung der Kreisbehörde hätte sie den Mietvertrag für die Räume in einer ehemaligen Nervenklinik gar nicht verlängert dürfen. Von einem "Mietstopp" spricht Claudia von Maltitz. Die Umsteuerung setzt der Freistaat auch finanziell um, für die kleinen Unterkünfte gibt es einfach keine Kostenerstattung mehr.

So wird der Kreis nach und nach noch etliche Wohnungen und Häuser aufgeben. Etwa 100 Objekte in unterschiedlichen Größen von der Wohnung bis zur Fabrikhalle sind es nach Angaben von Behördensprecher Stefan Diebl derzeit noch. Aufgelöst werden zunächst auch die Provisorien, kündigte Landrat Karl Roth beim Besichtigungstermin in der Seefelder Containeranlage am Donnerstag an. Gemeint sind damit die Zelte in Berg, Pöcking und Tutzing. Den Anfang macht Tutzing, von wo 128 Menschen in die Container in Krailling und Seefeld verlegt werden.

Für sie verbessert sich die Situation, bei anderen ist das nicht der Fall. In den Helferkreisen ist die Verärgerung groß. Da wurden Flüchtlinge über lange Zeit betreut, begleitet, getröstet, und nun müssen sie gehen. Es sind Menschen, die ihren Leidensweg geschildert haben, die angefangen haben, die deutsche Sprache zu lernen und Kontakte zu knüpfen. Kinder fühlen sich in Schule oder Kindergarten wohl, Freundschaften haben sich entwickelt und nun folgt der angeordnete Umzug.

"Für uns ist nicht nachvollziehbar, warum gut integrierte Menschen aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen werden", protestiert der Gautinger SPD-Ortsvorsitzende Dieter Appel. Partei und Fraktion fordern, "auf mehr Menschlichkeit statt allein auf Machbarkeit zu setzen".

Für die jungen Somalier aus der Gautinger Bergstraße stellt sich erst im Lauf dieses Wochenendes heraus, wer tatsächlich nach Seefeld muss, wer nach Krailling verlegt wird und wer vielleicht sogar im Ort bleiben kann. "Wir sind noch am Suchen, wie wir die Leute behalten können", sagte Helferin Claudia von Maltitz am Freitag. Gemeinde und Landratsamt verhielten sich dabei sehr kooperativ, beteuert sie.

© SZ vom 25.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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