Am berühmtesten ist der Fossilienfund des Urvogels Archaeopteryx. Doch nicht nur der Fossilienreichtum hat den Solnhofener Plattenkalk berühmt gemacht, auch Baumeister und Künstler wie Marc Chagall und Joan Miró schätzten das besondere Gestein aus Franken, sowie den Jura-Kalkstein aus dem gleichen Abbaugebiet. Es ist vor etwa 140 bis 160 Millionen Jahren aus einem ehemaligen Meer entstanden. Einer Firma aus Feldafing am Starnberger See ist es zu verdanken, dass die Natursteine nun zum Welterbe zählen.
Die flachen Steine aus Solnhofen wurden für Lithografien eingesetzt, die im Steindruckverfahren hergestellt wurden. Zudem wurden sie für Böden, Dacheindeckungen und in der Reliefkunst verwendet. Mit Jura-Marmor wurde schon der Limes gebaut, später unter anderem die Willibaldsburg in Eichstätt sowie der Pappenheimer Altar im Dom. Bis heute wird Jura-Kalkstein für die Fassadengestaltung genutzt, etwa für den Flughafen Berlin. Nun wurden die weltbekannten Natursteine zu Welterbe-Steinen ernannt. Seit 2015 wurden von insgesamt rund 15 000 Natursteinen, die unter den unterschiedlichsten Bezeichnungen vermarktet werden, erst 32 Steine aus 17 Ländern ausgewählt, darunter nur vier aus Deutschland.
Für die Vergabe der Auszeichnung ist eine eigene Kommission zuständig, die "IUGS Heritage Stone". Doch bis es so weit war, musste die Bedeutung der Natursteine in einem langwierigen Prozess nachgewiesen werden. Insgesamt 24 Kriterien waren dafür notwendig. Im Fall der Solnhofener Platten sowie des Jura-Marmors war die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Berlin unter der Leitung von Angela Ehling in Kooperation mit der Feldafinger Firma Ritter Stone verantwortlich. "Ich habe die Steine vorgeschlagen, weil sie historisch so wertvoll sind", sagt die Geschäftsführerin von Ritter Stone, Anette Ritter-Höll. Die Historie sei essenziell, etwa wie die Steine früher verbaut wurden und wie dies heute der Fall sei. Wie sie erklärt, sind die hell klingenden, bis zu 32 Zentimeter dicken Filze bedeutsam für die Lithografie. Und die nur in Mörnsheim vorkommenden blauen Steine werden benötigt für Böden, um sie mit den üblichen gelben Steinen als Schachbrettmuster zu verlegen. Die Auszeichnung hat laut Ritter-Höll keine Einschränkungen im Abbau zur Folge. Wichtig sei nur, dass die Steine gewürdigt werden.
"Bei uns zu Hause gab es nichts anderes als Stein", sagt die Mutter von vier Kindern vor dem Hintergrund, dass ihr Vater Hermann Ritter in der Nähe des Solnhofener Steinbruchs "Zugspitze", auf Burg Mörnsheim aufgewachsen ist und schon mit 15 Jahren dort gearbeitet hat. Im Januar 1986 hat er die Firma Ritter Stone gegründet, die sich mit dem Einsatz des Naturwerksteins im Bauwesen sowie mit der Denkmalpflege beschäftigt. Seine Tochter Anette Ritter-Höll arbeitet seit 1997 in der Feldafinger Firma. Und ebenso wie ihr Vater, der noch heute mit 90 Jahren so stark verwachsen ist mit seinem Lebenswerk, dass er fast täglich mit seiner Tochter telefoniert und ihr beratend zur Seite steht, sagt auch Ritter-Höll von sich, dass ihr Fokus schon immer auf dem Stein gelegen habe.
Die Diplomgeologin hat während ihrer Ausbildung in Steinbrüchen in den USA, Finnland und Carrara gearbeitet. Promoviert hat Ritter-Höll über die Frostbeständigkeit des Jura-Kalksteins. Heute erstellt sie Gutachten zum Abbau oder zur Verwendung der Steine und nimmt Materialuntersuchungen vor. Sie hat sich spezialisiert auf die Bewertung von Steinbrüchen, beispielsweise wie viel Steine in welcher Qualität abgebaut werden können und welche Maschinen dafür zum Einsatz kommen. Die Geschäftsführerin gibt in Steinbrüchen geologische Einführungen und erklärt die Verarbeitungsweise. Sie erstellt für Kunden Gutachten oder schlägt eine Auswahl an Steinen und Steinbrüchen vor, die für den Bauherrn infrage kommen könnten. Die Bauarbeiten begleitet sie dann bis zur Fertigstellung.
Dass heutzutage zunehmend chinesische Steine verwendet werden, sieht Ritter-Höll kritisch. Warum müssten Steine aus aller Herren Länder heran gekarrt werden, wenn es hierzulande qualitativ hervorragende Steine gebe, fragt sie sich. Die chinesischen Steine sind ihrer Meinung nach nur auf den ersten Blick billiger. Im Zuge der aktuellen Kriege und Weltkrisen müssten Schiffe oft einen großen Umweg fahren. Dann komme es zu langwierigen und teuren Verzögerungen während der Bauzeit. Mit der richtigen Planung indes könnten derartige Mehrkosten verhindert werden. Zwar wird ihrer Erfahrung nach wieder zunehmend Material aus regionalen Steinbrüchen verwendet. Allerdings lasse die Wirtschaft anschließend die Platten im Ausland herstellen und reimportiere diese wieder.
Seit 2005 ist Ritter-Höll zudem als Sachverständige für den Denkmalschutz zuständig. Sie stellt beispielsweise Schäden an Kirchen und historischen Villen fest und beschreibt die entsprechenden Leistungen, die erbracht werden müssen. Die Kirchen hätten in allen Zeiten vorwiegend mit Materialien aus der Region gebaut, erklärt sie. Ritter-Höll ist daher immer auf der Suche nach regionalen Steinen und recherchiert in Archiven. Nur auf diese Weise könne sie ein Gebäude angemessen und gründlich bewerten, unter anderem das Reichsparteitagsgebäude in Nürnberg oder den Studiobau des Bayerischen Rundfunks mit seiner Muschelkalksteinfassade, um beurteilen zu können, ob es abgerissen werden soll. "Das ist sehr spannend", erklärt sie. "Da versinke ich in alten Zeiten."