Familie:Irrungen und Wirrungen

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Nachgebautes Jugendzimmer in einer Ausstellung zum Thema "Jugend" im Bezirksmuseum in Dachau. (Foto: Niels P. Joergensen)

Die Familienberatungsstelle bietet Coaching-Kurse für Eltern an, deren Kinder gerade in der Pubertät sind. Der Psychologe Andreas Kopp rät zu einer gewissen Lässigkeit, um die schwierige "Zeit der Reife" zu meistern

Von Peter Haacke, Starnberg

Als "Zeit der Reife" wird sie zuweilen romantisch verklärt, die Phase zwischen dem zwölften und dem 18. Lebensjahr. Doch wenn bei den Kindern hormonbedingt mit Vehemenz die Pubertät einsetzt, beginnt für treu sorgende Väter und Mütter eine zuweilen zermürbende Zeit: Die lieben Kleinen mutieren dann quasi zum "Pubertier", der Übergang des heranreifenden Sprösslings zum Erwachsenen beschert allerlei Spannungen, Wirrungen, Auseinandersetzungen und manchmal auch böse Überraschungen.

In der Kinder-, Jugend- und Familienberatungsstelle des Landkreises Starnberg kennt man die Probleme der Eltern zum Komplex nur zu gut: Rund 950 Beratungsgespräche wurden hier im Vorjahr gezählt. Und der Bedarf nimmt stetig zu. Um diese schwierige Zeitspanne zu meistern, veranstaltet das Amt immer wieder Coaching-Kurse für Eltern. Der jüngste Vortrag von Diplom-Psychologe Andreas Kopp zum Thema "Pubertät - eine Herausforderung für die Eltern" lockte knapp 30 Interessierte an.

Heftige Gefühlsausbrüche, erste zarte Bande und sich ständig unverstanden fühlen - es ist zuweilen nicht leicht, ein junger Mensch zu sein. Mädchen zicken, Buben pöbeln - für die meisten gleicht das Leben in der Pubertät einer Baustelle: Veränderungen im Körper, Durcheinander im Gehirn, Gefühlschaos durch die erste Liebe, Experimente mit Alkohol und Drogen, sinkende Schulleistungen, das Kinderzimmer ein Biotop. Partys, Freunde, Klamotten und Haarstyling sind plötzlich viel wichtiger als die Familie. Und dennoch bleiben elterliches Engagement und Rückhalt wichtig, auch wenn es schwieriger denn je ist. Familientherapeut Kopp, Vater einer 16-jährigen Tochter, weiß genau, wovon er spricht. "Was ich Ihnen hier erzähle, ist dreifach geprüft", sagt er - und wirbt bei den Eltern, die selbst nun auch schon so einiges mitgemacht haben, für eine neue Perspektive: die des Heranwachsenden.

Wenn Jugendliche auf Tauchstation gehen, in ihrem Zimmer verschwinden oder mit Gleichaltrigen etwas unternehmen, dann "sind die eben einfach weg". Kein Grund zur Panik also. Auch wenn man nun nicht genau weiß, was Sohn oder Tochter da nun so treiben. "Erinnern Sie sich an Ihre eigene Pubertät", sagt Kopp. "Hätten Sie gewollt, dass Ihre Eltern alles von Ihnen wissen?" Einige Zuhörer lächeln still in sich hinein, was soviel heißt wie: Nein, sicherlich nicht. Denn "irgendwas" haben die meisten selbst angestellt in der Jugend.

Gleichwohl ist es dieses stete Ausloten der Grenzen und das Infragestellen von Regeln, was Eltern auf die Palme bringt. Jugendliche erproben in Zeiten krasser und extremer Veränderungen an Körper und Psyche das Streiten - eine Art Trainingsprogramm. Zielgenau treffen sie bei Auseinandersetzungen mit provozierender Wonne zielgenau bekannte Schwachpunkte der Eltern, was die Stimmung nur selten besser macht. Ob es ums unaufgeräumte Zimmer geht, das Smartphone im Dauereinsatz, nicht eingehaltene Vereinbarungen oder Streit, der nur zu oft in der Aussage gipfelt: "Von dir lasse ich mir gar nichts sagen" - genervte Väter und Mütter sollten stets bedenken, dass die Pubertät nur eine Entwicklungsphase ist, und keine Krankheit - auch wenn es manchmal anstrengend ist.

Während sich Eltern um die Zukunft sorgen und die Kinder zu selbständigen, selbstbewussten und verantwortungsvollen Menschen erziehen möchten, wollen Jugendliche selbst herausfinden, wie sie es schaffen können. Dieser Prozess ist zuweilen mit großen Unsicherheitsgefühlen und Selbstzweifeln gepaart. Zur eigenen Bestätigung suchen sie sich oft neue Bezugspartner, Freunde oder Erwachsenen. Doch gerade dieser offensichtliche Abgrenzungsprozess führt oft zu innerfamiliären Konflikten. "Manchmal wollen sie auch einfach nur ausprobieren, was geht", weiß Kopp. Dazu gehören Experimente und Exzesse - zuweilen bis ins Extreme.

Bei aller Ernsthaftigkeit rät er zu einer gewissen Lässigkeit: Eigene Haltung und Standpunkte bewahren ist allemal besser, als die Intensität eines eskalierenden Konfliktes weiter zu erhöhen. Stimmungsschwankungen bei Pubertierenden sind hormonell bedingt. Kopp: "Das muss man dann auch einfach mal aushalten." Die Kunst bestehe darin, nicht nachtragend zu sein, zur rechten Zeit auf "Gute-Laune-Angebote" einzugehen, sich zu entschuldigen und auch wieder zu versöhnen. Wenn 50 bis 65 Prozent der gemeinsamen Zeit im grünen Bereich sind, "dann haben Sie alles richtig gemacht", sagt Kopp.

Wichtigstes Ziel sei ein erfolgreicher Ablöseprozess vom Zuhause. Pubertierende Jugendliche brauchen Freiräume und Rückzugsorte. Sich in die Gefühlslage hineindenken oder einfach nur Fragen zu stellen ist oft der bessere Weg. Denn Jugendlichen ist es wichtig, dass sich Eltern für sie interessieren. Als uncool gilt es allerdings, wenn Mutti sich wie die Tochter kleidet oder Papa auf jugendlich macht. Letztlich hat Pubertät für Jugendliche selbst bekanntlich eine ganz andere Bedeutung: Es ist die Zeit, in der die Eltern komisch werden.

© SZ vom 30.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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