18 447 Höhenmeter in sieben Etappen:Transalp: Dieser Gautinger startet zum elften Mal

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Hans-Michael Krepold startet bei einem der härtesten Rennen über die Alpen. Der Professor radelt auch schon mal zur Vorlesung nach Aschaffenburg, dabei kommen ihm die besten Ideen.

Von Kilian Pinl, Gauting

Jeder ambitionierte Sportler führt insgeheim eine Liste über Dinge, die er in seinem Leben noch erreichen möchte: Ein Läufer träumt vom Marathon, ein Skifahrer von der Teilnahme an legendären Abfahrtsrennen und jeder Mountainbiker, der etwas auf sich hält, möchte mindestens einmal in seinem Leben mit dem Fahrrad die Alpen überqueren. Der 55-jährige Gautinger Hans-Michael Krepold hat sich nicht nur einen, sondern all diese Wünsche bereits erfüllt - und zwar mehrfach. Doch er hat noch immer nicht genug. Wenn am Sonntag der Startschuss zur legendären Bike-Transalp fällt, ist er mit seinem 44-jährigen Rennpartner Matthias Thugut als "Team Oberbayern" wieder einmal dabei.

Es gilt als das härteste Mountainbike-Rennen über die Alpen: 558 Kilometer und vor allem 18 447 Höhenmeter in sieben Etappen, von Tux im Zillertal nach Molveno nördlich des Gardasees. Im Jahr 2003 ging Krepold zum ersten Mal an den Start und hat seitdem mit verschiedenen Partnern die anspruchsvolle Strecke bereits neun Mal bezwingen können. 2004 geriet er im Pulk mit einem anderen Fahrer aneinander und stürzte so schwer, dass er zwar die Etappe beenden, aber am nächsten Tag nicht mehr weiterfahren konnte. Sollte es in diesem Jahr klappen, wäre das seine zehnte Zieleinfahrt.

Bei seinen Rennen ist Hans-Michael Krepold umgeben von traumhaften Panoramen - hier eine steile Abfahrt vor der Eiger-Nordwand. 2000 Kilometer hat er in diesem Jahr bereits im Sattel zurückgelegt, um sich auf den nächsten Start vorzubereiten. Von Sonntag an geht es bei der Bike-Transalp über 18 447 Höhenmeter. (Foto: Privat)

Seine Ambition in diesem Jahr sei es, "anzukommen und dafür tun wir alles, was nötig ist", erklärt Krepold. Und Ankommen ist leichter gesagt als getan, denn rund ein Drittel der Starter schaffen es nicht ins Ziel. Um sich auf das diesjährige Rennen vorzubereiten hat der Gautinger bereits 2000 Kilometer auf seinem Mountainbike zurückgelegt. "Von Gauting aus fahre ich nach Starnberg, einmal um den Starnberger See, zurück nach Gauting und dann mache ich noch einen kleinen Schlenker, damit ich auf etwa 80 Kilometer komme," erklärt der Ausdauersportler. Drei- bis viermal pro Woche fährt er diese Strecke und sofern sein Terminplan es zulässt, kommen gelegentlich längere Touren auf umliegende Berge wie den österreichischen Juifen, den Herzogstand oder den Osterfelderkopf hinzu.

Seine Familie komme trotz des enormen Trainingsaufwands aber nie zu kurz, denn "alle meiner drei Kinder sind sportbegeistert" und so treten die Krepolds auch des öfteren gemeinsam in die Pedale, wie etwa beim Familientriathlon in Gauting, wo sie am vergangenen Wochenende den zweiten Platz belegt haben. Wenn Krepold jedoch alleine trainiert, profitiert davon nicht nur seine Fitness. "Oft kommen mir die besten Ideen für die Arbeit, wenn ich im Sattel die Gedanken schweifen lasse", erzählt der Jurist. Als solcher könne er sein Training auch recht gut in den Tag integrieren, da er seine Termine nach der Wetterlage richte - bei gutem Wetter wird geradelt und bei schlechtem gearbeitet.

Wenn er allerdings in Aschaffenburg als Professor für Bürgerliches Recht seine Vorlesungen hält, bleibt das Fahrrad meist daheim. "Wobei - ich bin auch schon an einem Tag mit meinem Rennrad nach Aschaffenburg gefahren", erinnert er sich lachend. Mit den ersten Sonnenstrahlen ist er damals in Gauting aufgebrochen und kam erst im Zwielicht der Abenddämmerung in der 380 Kilometer entfernten Stadt in Unterfranken an. Am nächsten Tag hielt er wie gewohnt um 8 Uhr morgens seine Vorlesung, als wäre er nicht Stunden zuvor noch quer durch halb Deutschland geradelt.

Aber das war noch lange nicht das Verrückteste, das er je unternommen hat. Vor neun Jahren gewann er bei der "12 Stunden-Mountainbike-Weltmeisterschaft" in Fischbachau die Bronzemedaille. 28 Mal bewältigte er dabei einen etwa acht Kilometer langen Rundkurs mit 170 Steigungsmetern, und während bei sengender Hitze ein Konkurrent nach dem anderen aufgeben oder pausieren musste blieb der Gautinger über das gesamte Rennen im Sattel. Dort auf dem Podium zu stehen und eine Medaille umgehängt zu bekommen sei für ihn "einer der schönsten sportlichen Erfolge gewesen", die er je feiern durfte.

Das will was heißen, denn auch zu Fuß, im Wasser oder auf den Skiern geht der Allrounder regelmäßig an seine Grenzen. Im Winter tut er das beim weltweit größten Skirennen für Amateure - dem Infernorennen - bei dem 1850 Teilnehmer starten. Vom Gipfel des Schilthorns gilt es möglichst schnell 14,9 Kilometer und eine Höhendifferenz von 2170 Metern bis zum Ziel im schweizerischen Lauterbrunnen zurückzulegen. Mit 24 Rennteilnahmen bei entsprechend schnellen Zeiten bekomme man das "Doppelte Diamantene Inferno-Abzeichen", das bisher nur wenige verliehen bekommen hätten, erzählt Krepold. Da er in seinen 20 bisherigen Abfahrten bereits alle Zeitpunkte gesammelt hat, die man für das Abzeichen benötigt, könnte er bei den nächsten vier Fahrten theoretisch mit gemütlichen Schwüngen talwärts gleiten, aber "wenn man da oben steht, will man natürlich auch ein gutes Rennen fahren", so Krepold.

Doch nicht nur im Winter zieht es den "ambitionierten Hobbysportler" - wie er sich selbst bescheiden nennt - ins Lauterbrunnental. Am Infernotriathlon, der mit 5 500 Steigungsmetern zu den schwersten der Welt zählt, hat Krepold auch schon sieben Mal erfolgreich teilgenommen. Um sich beim ersten Mal nicht zu übernehmen bediente er sich eines genialen, weil simplen Tricks: Er nahm eine Kamera fürs Bergpanorama mit. "So habe ich bei jedem Fotostopp einmal tief durchschnaufen können", erzählt Krepold. Als er dann gegen 21 Uhr ins Ziel lief, hatte er etwa 400 Fotos geschossen, bei den nächsten Triathlons ließ er die Kamera zu Hause und konnte seine Zeit so stetig verbessern. In Zukunft wieder einen Triathlon zu bestreiten, könne er sich durchaus vorstellen, aber jetzt freue er sich erst einmal auf die Transalp: "Auch ich merke zwar, dass der Zahn der Zeit etwas an mir nagt, aber so lange es geht, werde ich auch noch weitermachen."

Nach der diesjährigen Alpenüberquerung würde Krepold mit seinem Rennpartner Thugut im kommenden Jahr in die Kategorie der "Grandmasters" aufrücken, bei denen das addierte Alter im dreistelligen Bereich liegt. "Da kann ich dann etwas gemütlicher fahren", scherzt er. Vielleicht fährt er aber auch mit seinem ältesten Sohn. Dann müsste er allerdings weiter in der Herrenklasse statt bei den Senioren starten. Für den Routinier mache dies aber keinen Unterschied, denn es gehe ihm bei seinen Unternehmungen stets "ums Erlebnis und nicht ums Ergebnis".

© SZ vom 13.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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