Ernährung:Pfundiges Projekt für ein leichteres Leben

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Mit einer professionellen Mischung aus Sport und Ernährungskunde lernen übergewichtige Kinder in einem beispielhaften Modell unter der Regie der Gesundheitsakademie Starnberg spielerisch neue Regeln und Respekt. Plätze sind begehrt, doch es fehlen weitere Sponsoren

Von Manuela Warkocz, Starnberg

Anfangs saßen sie etwas verloren auf der Bank in der großen Turnhalle der Fünfseen-Schule. In den Köpfen der Buben und Mädchen ein Gedanke: "Was muss ich jetzt tun? Bloß nicht turnen!", so ihr Stoßgebet. Die ersten Übungen kosteten noch viel Überwindung. Aber je mehr Fahrt das Projekt "Pfundige Kinder" im Landkreis Starnberg aufnahm, desto lockerer und aktiver bewegten sich die Acht- bis Zwölfjährigen, die unter ihrem Übergewicht leiden: Sie jagen dem Ball hinterher, springen über Hürden, ergreifen in der Söckinger Halle die Initiative zu neuen Spielen. Die Tutzinger Ärztin und Autorin Marianne Koch hat das schwergewichtige Modellprojekt mit initiiert - und freut sich über den Erfolg: "Das Selbstwertgefühl war schlecht, zum Teil waren sie auch aggressiv. Das hat sich alles sehr verbessert", stellt sie nach einem halben Jahr fest.

Auch körperlich zeigen sich positive Effekte: "Die Motorik hat sich bereits bei fast allen gebessert, auch erste Erfolge bei der Gewichtsreduzierung bahnen sich an", meldet die Gesundheitsakademie Starnberg. Unter ihrem Dach sind die "pfundigen Kinder" organisiert. Akademie-Leiterin Gerti Rumitz führt mehrere Gründe für die hoffnungsvolle Zwischenbilanz an. Ein besonders gutes Zeugnis stellt sie dem Sporttrainer und Physiotherapeuten Günther Reitel aus. Der Fachmann, der Erfahrung vom FC Bayern mitbringt, leitet die Sport- und Spielzeit - jeweils montags und donnerstags 90 Minuten lang. "Der Trainer holt die Kinder liebevoll ab, wo sie stehen. Es gibt keinen Leistungsdruck, er versucht spielerisch, sie zu gewinnen", sagt Rumitz. In der Gruppe unter ihresgleichen könnten sich die Kinder ohne Diskriminierung entfalten. Sie lernten im Miteinander Regeln und Respekt.

Für die richtige Ernährung ist es wichtig zu wissen, was in den Lebensmitteln drin steckt. (Foto: Johannes Simon)

Als weitere "unabdingbare Voraussetzung" für den Erfolg bezeichnet die Akademieleiterin den Fahrdienst. Drei Taxis sammeln die 13 Buben und Mädchen ein und fahren sie wieder heim. Das garantiere kontinuierliche Teilnahme, zumal viele Eltern berufstätig seien. Mütter und Väter ins Projekt miteinzubeziehen gilt als essenziell; sie werden alle acht bis zehn Wochen zu Elternforen eingeladen. Kochkurse mit den Kindern ergänzen das Programm. Da lernt man zum Beispiel, gesunde Burger selber zu fabrizieren. Ziel der Ernährungskunde ist es, Essen nicht länger als Frustrationskiller zu begreifen. "Sie sollen bei Frust nicht zu Gummibärchen greifen", sagt Marianne Koch. Von ursprünglich 15 Kindern des Projekts "Pfundige Kinder", die im September 2015 gestartet sind, machen 13 noch mit. Zwei mussten wegen Nachmittagsunterricht aussteigen. Teils haben die Kinder Migrationshintergrund, andere haben ADHS. Studien zufolge hilft diesen Kindern Sport am nachhaltigsten.

Im Schuljahr 2016/17 soll die Gruppe weitergeführt werden. Bei Austritten sollen Kinder nachrücken, die auf der Warteliste stehen. Gern würde die Gesundheitsakademie eine weitere Gruppe anbieten. "Aber das geht leider nicht, da wir ganz nebenbei um Sponsorengelder enorm kämpfen", sagt sie zur Finanzierung. Das Projekt wird für ein Jahr auf rund 30 000 Euro veranschlagt. Ein Großteil des Betrags übernahm zu Beginn die Rudolf-Augstein-Stiftung. Der Landkreis Starnberg steuerte etwas bei, ebenso die Kreissparkasse Starnberg. Die Turnhalle in Söcking steht kostenlos zur Verfügung. Weitere Sponsoren sind nun sehr erwünscht, besonders als Paten für die Beförderung. Die macht etwa die Hälfte der Kosten aus.

Ein Dutzend Initiatoren stehen hinter dem im Landkreis einzigartigen Modell. Landrat Karl Roth und Alt-Landrat Heinrich Frey zählen dazu, die Mediziner Olaf Adam, Herbert Eisenlohr, Egon Gniwotta, Ursula Kuhnle-Krahl, Helmut Lydtin und Robert Tratzlmüller. "Es ist ein absolutes Herzensprojekt", sagt Gertie Rumitz. "So schlecht es den Kindern auch gehen mag, sie lernen schnell, nehmen jede hilfreiche Hand und gesunden selbstvergessen, eben wie Kinder", sagt die Akademie-Leiterin. "Das hat uns alle sehr bewegt und motiviert." Über das Projekt "Pfundige Kinder" können Interessierte und Sponsoren unter Telefon 08151/182 962 mehr erfahren.

© SZ vom 05.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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