Erinnerung:Die Geschichte eines ganz besonderen Schüleraustauschs

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Seit zehn Jahren fährt die Mittelschule Starnberg nach Marzabotto, wo die Deutschen im Krieg ein Massaker verübten. Die Schüler wurden mit offenen Armen empfangen.

Von Ute Pröttel, Starnberg

Zum zehnten Mal findet in diesem Jahr der Austausch der Mittelschule Starnberg mit dem Instituto Comprensivo di Marzabotto statt. Die Starnberger Schüler sind gerade erst aus Italien zurückgekehrt. Im Mai 2019 kommen die Freunde aus Italien nach Starnberg. Sowohl Altbürgermeister Ferdinand Pfaffinger als auch Bürgermeisterin Eva John haben sich es nicht nehmen lassen, mit nach Italien zu reisen, allerdings an unterschiedlichen Tagen, um das kleine Jubiläum zu feiern.

Unter Ferdinand Pfaffinger war die Schulpartnerschaft 2014 auf offizielle Beine gestellt worden. Bereits sechs Mal hatten die gegenseitigen Besuche da schon stattgefunden. Um das Projekt finanzielle besser unterstützen zu können, unterzeichneten Pfaffinger und sein italienischer Kollege Romano Franchi sowie die beiden Rektoren eine offizielle Schulpartnerschaft. Auch Bürgermeisterin Eva John liegt das Projekt am Herzen. Die Stadt unterstützt den Austausch finanziell, aber auch mit kleinen Geschenken, wie Bierkrügen oder Schirmen oder einem deutsch-italienischen Buffet.

Zum zehnjährigen Bestehen des Austauschs mit Marzabotto stattete Ende Oktober auch Bürgermeisterin Eva John (l.) der Partnerschule einen Besuch ab. (Foto: OH)

Initiiert wurde das Projekt von Daniela Fantuzzi. Auf der Suche nach einer Austauschschule in Bayern schrieb die Deutsch sprechende Lehrerin vor Jahren einige Schulen rund um München an. Bei Angelika Brandl stieß sie auf offene Ohren. Ein solcher Austausch ist für eine Mittelschule ungewöhnlich, gibt Brandl zu. Zumal Italienisch kein Unterrichtsfach an der Schule ist, sehr wohl aber Geschichte. Marzabotto wurde im Oktober 1944 Schauplatz eines Massakers, das die Waffen-SS an der wehrlosen Bevölkerung verübte. Mehr als 770 Zivilisten verloren ihr Leben, darunter 213 Kinder. Heute erinnert der Gedenkpark "Monte Sole" mit Friedensschule an die Gräueltaten. Sein Besuch steht im Mittelpunkt des Aufenthaltes.

"In den ersten Jahren bekamen wir immer ein Führung von Überlebenden", erzählt Brandl. Da musste viel übersetzt werden. "Mittlerweile lassen wir die Schüler die deutschen Übersetzungen der Zeitzeugen selber vorlesen. Einige von ihnen waren 1944 genauso alt wie unsere Schüler heute." Nicht nur ihre Schüler lernen bei diesem ungewöhnlichen Projekt, auch der Ablauf wurde in den zehn Jahren immer wieder optimiert. Heute reisen die Schüler samstags an und verbringen den ersten Tag jeweils in den Familien ihres Gastgebers. "Die Jugendlichen haben sich über Whatsapp und andere Medien schon intensiv ausgetauscht, dieser erste Tag dient dazu, dass sie sich auch persönlich gut kennenlernen", erklärt Brandl. Gesprochen wird Englisch. "Der Effekt ist zu erfahren, wofür sich die Mühe lohnt, eine Sprache zu lernen", sagt Brandl. Neben dem Europagedanken ist ihr auch wichtig, dass ihre Schüler sich bewusst machen, dass sie als Ausländer in einem Land sind, in dem Deutsche schreckliches Leid verursacht haben und dennoch mit offenen Armen aufgenommen werden.

Die Rückreise war heuer so aufregend wie noch nie. Ausgerechnet wegen einer Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg war die Bahnstrecke zwischen Bologna und Verona gesperrt. Die Gruppe musste sich trennen. Ein Lehrer fuhr mit zwei Schülern und dem ganzen Gepäck in einem Bus. Der Rest blieb erst einmal unverrichteter Dinge zurück. Eine Stunde später stiegen sie in einen weiteren Bus. Der erste fuhr nach Innsbruck, der zweite nach Verona, von wo aus es mit dem Zug weiter nach München ging. In Innsbruck am Bahnhof stand dann die erste Gruppe mit einem Riesenberg Gepäck. "Aber auch das wurde in den vier Minuten Aufenthalt flugs eingeladen", erzählt Daja Koop, eine Kollegin von Brandl. Als die 13 Schüler mit ihren drei Lehrern endlich wieder zu Hause waren, zeigte die Uhr kurz vor Mitternacht.

Im Mai 2019 stehen die Feierlichkeiten in Starnberg an. Die Rückreise wird da bestimmt noch Thema sein. Im nächsten Jahr wird Angelika Brandl die Leitung des Austausches an Daja Koop übergeben und noch einmal als Begleitung mitfahren, bevor sie in Pension geht.

© SZ vom 16.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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