Erinnerung an 1945:Ein Zeichen des Mitgefühls

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Marita Krauss und Bürgermeister Michael Bernwieser bei der Gedenkfeier in Seeshaupt. (Foto: Arlet Ulfers)

100 Besucher kommen zur Todeszug-Gedenkfeier

Von kia Ahrndsen, Seeshaupt

"Das Seeshaupter Mahnmal ist eine wichtiges Zeichen der Erinnerung an das, was wir nie vergessen dürfen", sagte Marita Krauss, Historikerin an der Universität Augsburg, bei der Gedenkfeier zur Befreiung des sogenannten Todeszuges am 30. April 1945. Es erinnere an das, was Menschen Menschen antun können. 3000 Häftlinge aus dem KZ Mühldorf waren damals von amerikanischen Soldaten im Seeshaupter Bahnhof befreit worden. Damals, so Krauss, sei den Menschen die Fratze des NS-Regimes unverhüllt entgegen getreten, sie mussten sich die Frage nach der eigenen Schuld stellen. Es seien nicht die Seeshaupter gewesen, die die Häftlinge des Konzentrationslagers in die Züge verladen hatten, aber sie trugen wie alle die Verantwortung für das, was geschah. "Deswegen stehen wir heute hier an diesem Mahnmal", sagte Krauss vor gut 100 Besuchern in der Seeshaupter Bahnhofstraße, "deswegen erinnern wir."

Aus der Verantwortung und Erinnerung müsse Wachsamkeit erwachsen, auch im heute friedlichen Deutschland gebe es wieder viele Aufgaben. Die Seeshaupter hätten sich vor 74 Jahren selbst plötzlich rechtlos und ausgeliefert gefühlt, als sie für die Lagerüberlebenden aus dem Todeszug ihre Häuser und Wohnungen verlassen und zusehen mussten, wie ihre Habe geplündert wurde. Die überlieferten Geschichten von Zuwendung, Mitgefühl und gegenseitiger Hilfe seien, so Krauss, umso bemerkenswerter. Sie erinnerte daran, dass Migration und damit auch das Ankommen von zunächst Fremden in der Geschichte die Normalität gewesen sei; schon immer hätten sich Menschen auf den Weg gemacht, um im fremden Land neue Chancen zu finden. Immer wieder sei bei ihrer Ankunft zunächst Angst aufgekommen, dass dies alles nicht zu bewältigen sei. Aber: "Es ist Optimismus gefragt, nicht die Angst", appellierte Krauss an die Zuhörer.

Zuvor hatte die evangelische Pfarrerin Sandra Gassert vor der Versuchung gewarnt, das Vergangene weich zu zeichnen und zu vergessen. Der katholische Pfarrer Mladen Znahor betete um Kraft zur Erinnerung, um widerstehen zu können. James Cohen von der liberalen jüdischen Gemeinde Beth Shalom übermittelte Grüße von Louis Shneh, der als 14-Jähriger in Seeshaupt aus dem Zug befreit worden war und heute in Kalifornien lebt. Mit seinen 92 Jahren wollte er sich die Reise nicht zumuten. "Aber vielleicht nächstes Jahr", habe er gesagt.

© SZ vom 02.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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