Engagement:Aus dem Slum in die Berufsschule

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Die frühere Landtagsabgeordnete Ruth Paulig eröffnet mit ihrem Verein "Promoting Africa" jungen Menschen aus Kenia die Chance auf Arbeit. Ein Ausbildungszentrum wird gerade erweitert.

Von Otto Fritscher, Herrsching

Ruth Paulig kennt den jungen Mann schon seit Jahren. Evans Kimani ist 23 Jahre alt, lebt in der Nähe der kenianischen Hauptstadt Nairobi und hat gerade die Schreinerprüfung abgelegt. Nun stehen Kimani, der aus den Slums der Hauptstadt stammt, alle Wegen offen. Im Juli war die Graduationsfeier, und die ehemalige Grünen-Landtagsabgeordnete Paulig hat natürlich daran teilgenommen. Schließlich ist es auch - vielleicht sogar vor allem - der Unterstützung durch den von Paulig vor neun Jahren gegründeten Verein "Promoting Africa" zu verdanken, dass Kimani durch eine solide Berufsausbildung den Weg in eine erfolgreiche Zukunft geebnet worden ist. "Gehen muss er natürlich selbst", sagt Paulig. Aber sie ist zuversichtlich, denn das vom Verein in Malaa, einer 30 Kilometer östlich von Nairobi liegenden Stadt aufgebaute "Skills Centre", bietet jungen Menschen in Kenia die Chance, sich zu qualifizieren.

Man kann sich das Skills Centre als eine Berufsschule vorstellen, in der die jungen Männer und Frauen eine duale Ausbildung nach deutschem Vorbild erhalten. Unterricht in Wirtschaftskunde, Entrepreneurship und IT wechseln mit praktischer Arbeit in schuleigenen Werkstätten, in denen etwa angehende Schreiner, Schweißer, Fahrrad- und Automechaniker oder Schneiderinnen ausgebildet werden. Jährlich besuchen etwa 100 junge Menschen im Alter von 17 bis 25 Jahren die Einrichtung, die ausschließlich privat finanziert wird. Bisher haben 600 Schüler das 2012 gegründete Zentrum besucht. 413 haben inzwischen erfolgreiche offizielle Prüfungen abgelegt, berichtet Paulig. Eine Befragung habe ergeben, dass mehr als 70 Prozent der Schüler eine Beschäftigung gefunden oder sich in dem erlernten Beruf selbständig gemacht haben.

Ruth Paulig aus Herrsching feiert mit Evans Kimani die bestandene Schreinerprüfung. (Foto: privat)

Den Bau des Skills Centre haben nicht nur die 90 Vereinsmitglieder und 200 weitere regelmäßige Spender ermöglicht, auch Firmen wie Knorr Bremse und Stiftungen haben den Bau der Berufsschule in zwei Bauabschnitten unterstützt. Momentan ist der dritte Abschnitt im Bau. Etwa 90 Schüler können ähnlich wie in einem Internat auch bei dem Ausbildungszentrum wohnen.

Beim Bau trat die für Paulig bislang größte Enttäuschung auf: "Wir haben eine Dachkonstruktion aus Bambus. Die Dachpfosten mussten wir nach kurzer Zeit erneuern, weil sie von Schädlingen befallen waren. Da bröckelte alles raus." Und das, obwohl deutsche Experten die Planung gemacht hatten. Die Reparatur war teuer. "Ein zweites Mal können wir uns das nicht leisten", sagt Paulig.

Anstoß für die spätere Gründung des Vereins war eine Uno-Konferenz in Nairobi, an der Paulig 2004 teilnahm. Dabei knüpfte sie erste Kontakte zu in den Slums von Nairobi tätigen Kenianern. Nach Beendigung ihrer Berufstätigkeit vertiefte sie diese Kontakte, und in den ersten Jahren unterstützte Promoting Africa und der Partnerverein Youth Support Kenya 300 Kinder in den Slums. "Aus dieser Arbeit heraus entwickelte sich die Erkenntnis, dass nach dem Schulbesuch dringend eine praktische Weiterqualifikation als Einstieg in Beruf und Lebensperspektiven geboten werden muss", erinnert sich Paulig. So entstand die Idee, eine Berufsschule zu gründen. In den Slums lebte auch Evans Kimani, den der Verein seit acht Jahren mit einer Partnerschaft begleitet.

Der Verein "Promoting Africa" hat das Skills Centre aufgebaut. (Foto: Promoting Africa)

Über die weitere Entwicklung sind sich Ruth Paulig, die Gründerin und Mentorin des Vereins, und Susanne Kiehling, ihre Nachfolgerin als Vorsitzende einig. Derzeit erwirtschaftet das Skills Centre mit seinen Läden, Werkstätten und Dienstleistungen etwa ein Viertel der jährlichen Kosten von 70 000 Euro. "Diesen Anteil müssen wir erhöhen", sagt Paulig; als Zielmarke nennt sie 40 Prozent. Um dies zu erreichen, wird gerade ein Mobility Centre, ein Ableger der Schule, an der Hauptstraße von Malaa eingerichtet. Die Schule liegt ein wenig abseits von der Straße, Werkstätten für Autos und Fahrräder werden jetzt direkt im Ort eingerichtet; davon erhofft sich Paulig mehr Zuspruch.

Nach ihren Vorstellungen soll sich der Verein in einigen Jahren einem neuen Projekt widmen. Dafür muss das Skills Centre aber auf eigenen Beinen stehen. "Wir würden uns wünschen, dass sich der kenianische Staat an der Bildungseinrichtung finanziell beteiligt. Zum Beispiel mit Lohnzuschüssen für die Lehrergehälter, die etwa 70 Prozent der Kosten ausmachen", sagt Paulig. Bisher ist allerdings nichts in diese Richtung passiert, trotz Bemühungen von Promoting Africa und seines Partnervereins in Kenia. "Wir sind immer wieder in Kontakt mit Gerd Müller, dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit", erklärt Paulig. Er solle bei Gesprächen mit kenianischen Partnern darauf hinwirken, dass es für das Skills Centre Geld vom Staat gibt.

Aus eigenen Kräften wird eine Veranstaltung am 7. Juli in Herrsching über die Bühne gehen. Dann wird das zehnjährige Bestehen von Promoting Africa und der 70. Geburtstag von Ruth Paulig gefeiert.

© SZ vom 24.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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