Dießen:Stuhlherde in freier Wildbahn

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Annunciata Foresti, Mitinitiatorin der Ateliertage, zeigt in ihrer Werkstatt im vormaligen Dießener Stellwerk unter anderem farbgewaltige und dynamische Blumenstillleben, die den gewohnten Rahmen sprengen. (Foto: Georgine Treybal)

Ob im Park, am See oder in der Werkstatt: Bei den Dießener Ateliertagen gibt es von Sonntag bis Dienstag die unterschiedlichsten künstlerischen Positionen zu entdecken

Von Katja sebald, Dießen

Bereits zum dritten Mal öffnen die Dießener Künstler an diesem Wochenende ihre Ateliertüren für Besucher. Natürlich reicht es nicht, einfach mal die Türen offen stehen zu lassen: Deshalb wird zuvor in Werkstätten und Ausstellungsräumen geputzt, geräumt und manchmal sogar noch gestrichen. Arbeiten müssen ausgewählt und präsentiert werden. Preislisten werden gedruckt, Kataloge ausgelegt und ganz zum Schluss noch kleine Erfrischungen für kunstinteressierte Besucher vorbereitet. Weil der Aufwand jedes Mal enorm ist, finden die "Dießener Ateliertage" nur alle zwei Jahre statt. Diesmal beteiligen sich 13 Künstler mit unterschiedlichsten künstlerischen Positionen und in unterschiedlichsten räumlichen Situationen. Vom 29. April bis 1. Mai gibt es jeweils von 14 bis 18 Uhr zwischen Riederau und dem Schacky-Park von Dießen Zeichnung, Malerei, Bildhauerei, Fotografie und Installationskunst zu entdecken.

Herz und Motor der Ateliertage ist die Malerin Annunciata Foresti, die in ihrem "Stellwerk der Kunst" die Besucher empfängt. Allein der üppige Garten direkt an den Bahngleisen ist ein Gesamtkunstwerk und so malte Foresti einen ganzen Sommer lang Blüten und Pflanzen. Jetzt präsentiert sie die großformatigen Leinwände noch mal parterre am Ort ihres Entstehens, im oberen Stockwerk zeigt sie eine Auswahl kleiner Landschaftsbilder.

Die zweite treibende Kraft bei der Organisation der Ateliertage ist die Konzept- und Wortkünstlerin Nuë Ammann, die ihre Text-Installationen bevorzugt im öffentlichen Raum zeigt. Weil sich eine große Installation aus dem Wort "Me", das sich zu "We" spiegeln lässt, ohne Sponsoren nicht realisieren lässt, präsentiert sie im Monopteros des Schacky-Parks, einem "Kunsttempelchen" im Grünen, eine kleinformatige Ausführung der Idee, "Gedanken in den Raum zu stellen und damit veränderte Begegnungen mit Ideellem zu erschaffen." Martin Gensbaur öffnet zu den Ateliertagen sein "Kunstfenster" in der Hofmark und präsentiert seine Bilder, die hoch über dem Walchensee, irgendwo am Bahnhof von Scharnitz oder bei der Erdfunkstelle in Raisting, an der Via Aurelia in der Toskana oder in Dießen entstehen und meist erstaunlich ungeschönte Landschaften zeigen. Burkhard Niesel sagt über seine Malerei: "Meine Motive stehen im Spannungsfeld zwischen unberührter und sichtbar kultivierter Natur - auch der optische Reiz landwirtschaftlicher Maschinen gehört immer wieder zur Thematik." Weitere malerische Positionen vertreten Inge Frank, Katrin Gabriel, Silke Gottschalk und Heidi Wolf.

Das Bildhauerpaar Katharina Ranftl und Matthias Rodach erwartet die Besucher in einem verwunschenen Garten an der Seestraße, in dem sie in einem umgebauten Bauwagen und er in einem Freiluftatelier arbeitet. Während Ranftl seit Jahren in einer Serie kleinformatige, geschnitzte Figuren Menschentypen mit dezenter Bemalung erschafft, sind die meist ebenfalls figürlichen Arbeiten Matthias Rodachs oft lebens- oder überlebensgroß.

Sabine Jakobs, die normalerweise im Bereich der Werbung arbeitet, hat ihr Fotoatelier an der Johannisstraße zunächst komplett leer geräumt und dabei auch gleich großen Frühjahrsputz gemacht. Jetzt zeigt sie dort ihre Bildserie "Sedie" und erzählt eine wundersam poetische Geschichte von altersschönen Stühlen in Fünfzigerjahrefarben, die nach einer großen Karriere in der traditionsreichen Pasticceria Balzola in Alassio nun in einem kleinen Dorf in Ligurien als Stuhlherde in freier Wildbahn leben und ihr Dasein mit Gelegenheitsjobs fristen.

"Ich liebe es, in die Städte zu fahren, meinen eigenen Blick darauf zu werfen und eine andere Welt zu erschaffen", sagt Gabriele Rothweiler über ihre Arbeit als Fotografin. Und für Christoph Franke ist Fotografie "ein hervorragendes Medium, um scheinbar Selbstverständliches aus seinem Kontext zu lösen und in einem anderen Zusammenhang zu zeigen".

© SZ vom 28.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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