Dießen:Rückkehrer und Daheimgebliebene

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Die ersten Weißstörche sind aus den Winterquartieren wieder am Ammersee angekommen. Vier von ihnen sind aber gar nicht erst zum Langstreckenflug gestartet, sondern haben auf den Raistinger Wiesen überwintert

Von Armin Greune, Dießen

Tagsüber zweistellige Plustemperaturen, viel Sonne zumindest bis Ende der Woche: Es scheint, als ob der Frühling heuer bereits im Februar Einzug ins Fünfseenland hält. Auch einige Störche sind inzwischen in der Kolonie im Süden des Ammersees angekommen - und fast täglich werden es mehr: Die Fachleute des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) rechnen damit, dass in den nächsten drei bis vier Wochen bis zu 20 Nistgelegenheiten rund um die Raistinger Wiesen belegt sein werden.

Seit gut einer Woche steht auch eine stählerne Nisthilfe auf dem Spitzenberger-Haus in Dießens Ortsmitte. Dort hatte sich im Sommer das Storchenpaar niedergelassen, das zuvor den Mast bei Franz Sanktjohanser und Renate Alton bezogen und dort drei Jungen aufgezogen hatte, die dann zur Schafskälte eingingen. Nun hat die Gemeinde einen Stahlkorb auf das Dach der ehemaligen Apotheke an der Herrenstraße montieren lassen, den Sanktjohanser mit Ästen ausstattete. Mittlerweile sei auch schon ein Weißstorch aufgetaucht, der die potenziellen Horste in Augenschein nehme, sagt Alton: Mal saß er bei ihr im Garten, mal auf dem Spitzenberger-Haus - wo er auch schon begonnen hat, direkt neben dem Korb Nistmaterial anzuhäufen.

Bis zu 112 Stundenkilometer schnell: Weißstörche nutzen im Flug geschickt die Thermik und die Windströmungen aus und gelangen so bis nach Afrika. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Wegen der gefährlichen Nähe zum Gaskamin soll dies aber unterbunden werden, sagt Alton. In Dießen stehen drei Quartiere bereit, denn auch bei Gut Romenthal existiert seit Jahren eine Nisthilfe, die allerdings noch nie bebrütet wurde. Die bislang einzigen Störche, die in den letzten Jahrzehnten in der Marktgemeinde Junge großziehen konnten, hatten 2017 direkt gegenüber dem Dießener Rathaus selbständig einen Horst gebaut. Der aber wurde mit einer Ausnahmegenehmigung der Naturschutzbehörde beseitigt.

Im vier Kilometer weiter südlich gelegen Raisting warten heuer 15 Hausdächer auf Brutpaare, 2018 wurden dort 28 Jungvögel flügge - mehr als je zuvor. Im Winter waren zunächst vier Weißstörche im Ort geblieben, zwei davon zogen nach den Schneefällen Anfang Januar vorübergehend ab, sagt der LBV-Storchenbeauftragte Wolfgang Bechtel. Weil aber die Schneedecke am Ammersee viel dünner war als etwa in Starnberg oder Murnau, kehrten sie bald zurück. Inzwischen seien vier oder fünf weitere Vögel aus ihren Winterquartieren in Raisting gelandet, die aber noch auf ihre Partner warten. "Sie haben bislang ihre Claims nicht abgesteckt und übernachten noch nicht regelmäßig in bestimmten Horsten", sagt Bechtel. Bis die Revierkämpfe beginnen, könnten noch einige Wochen vergehen.

Immobilienangebot für Störche: Einen Nistplatz ließ die Gemeinde Dießen am First der früheren Apotheke in der Herrenstraße anbringen. (Foto: Franz Sanktjohanser/oh)

Die früher ausgeübte Praxis, überwinternde Störche zu füttern, habe man längst eingestellt. Denn so wird das instinktive Verhalten der Vögel untergraben, bei Futterknappheit wenigstens einen sogenannten Teilzug etwa nach Spanien anzutreten. So lässt sich der mögliche Einfluss des Klimawandels auf die Populationen nicht direkt ablesen, aber heuer haben etwa 300 Weißstörche den Winter in Bayern verbracht. Über das Zugverhalten einer Störchin wird Bechtel genau informiert: "Sara" ist seit einigen Jahren mit einem Sender ausgestattet. 2015 und 2016 war sie auch einige Zeit in Raisting unterwegs, zuletzt brütete sie in Südhessen. Sara ist im Winter schon bis nach Südmarokko gezogen, heuer aber flog sie nur bis Nordspanien, wo sie schon am 21. August in Lleida ankam. Auf ihrem sechstägigen Flug erreichte sie eine Spitzengeschwindigkeit von 112 Stundenkilometern. Im Vergleich zu sesshafteren Artgenossen kommt Sara auch im Frühjahr viel herum: Sie hat außer Südhessen und dem Alpenvorland auch schon die Fränkische Seenplatte und das Salzburger Land als potenzielle Brutreviere inspiziert.

© SZ vom 26.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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