Dießen:Raumerlebnisse im doppelten Sinn

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Caroline Willy und ihr Hund Kalle heißen Besucher zur Eröffnung der Galerie im historisch bedeutenden Seerichterhaus willkommen. (Foto: Arlet Ulfers)

Im ehemaligen Dießener Seerichterhaus soll eine Salonkultur mit Galerie entstehen. Zum Auftakt zeigt Eigentümerin Caroline Willy vier sehenswerte Fotoarbeiten von Ben Goossens

Von Katja Sebald, Dießen

Der Prophet gilt bekanntlich nichts im eigenen Land: Der junge Künstler Ben Goossens wird längst auf internationaler Ebene ausgezeichnet und von Ausstellung zu Ausstellung gereicht - in seiner Heimatgemeinde Dießen aber waren seine Arbeiten bislang kaum zu sehen. Das mag nun freilich auch darin begründet sein, dass seine geheimnisvoll-düsteren Installationen, Fotos und Filme sich zumeist mit dem Thema Vergänglichkeit und Tod beschäftigen. Jetzt aber haben sie einen großen Auftritt im historischen Seerichterhaus, einem der geschichtsträchtigsten Gebäude der Marktgemeinde.

Ben Goossens, Sohn der Dießener Keramikerin Cornelia Goossens, wurde 1982 in München geboren und wuchs am Ammersee auf. Nach einer Ausbildung zum Schreiner in Garmisch-Partenkirchen absolvierte er ein Studium der Bildhauerei bei Stephan Huber an der Akademie der Bildenden Künste in München, das er 2014 abschloss. Auf Empfehlung seines Professors erhielt er danach den Kunstpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, verbunden mit einer Ausstellung in der Residenz.

"Hell" heißt eine der vier jetzt in Dießen gezeigten großformatigen Fotoarbeiten, die auf Leuchtkästen montiert präsentiert werden. Menschen, die nach einem Herzstillstand tot waren und ins Leben zurückgekehrt sind, berichten von einer Übergangssituation, die sie erlebt haben: Am häufigsten wird ein Durchgang durch einen Tunnel zu einem hellen Licht hin beschrieben. Ein helles Licht am Ende eines Tunnels, so malte schon Hieronymus Bosch um 1500 den "Flug zum Himmel". Auch Goossens Fotoarbeit erscheint wie eine Illustration zu sogenannten Nahtoderfahrungen, sie entstand aber in einem real existierenden Raum: im Schacht einer Bunkeranlage des spanischen Diktators Franco, die Goossens in Galizien fotografierte.

Der Künstler ist fasziniert von alten Gebäuden, von Räumen, die der Mensch verlassen und aufgegeben hat. Seine Bilder von "alleingelassenen" Räumen sind eine Spurensuche, ein Erforschen und dann eine ästhetische Übersetzung des eigenen Staunens über das Gefundene - oder das nicht Auffindbare. Normalerweise aber baut er die Räume, die er fotografiert oder filmt, in minutiöser Kleinarbeit selbst. Man könnte sie als Metaphern des Verfalls deuten, denn Wände, Böden und Decken - falls sie sich überhaupt als solche definieren lassen - sind rissig, brüchig, ruinös oder auch über und über mit Schimmel überzogen. "Die Räume, die ich fotografiere und filme, sind keine realen Räume", sagt Ben Goossens. Zuweilen sind sie nachempfundene Träume von Raumerlebnissen.

Und - das dürfte wohl für die meisten Betrachter die größte Überraschung sein - die im Bild endlos und großartig erscheinende "Innenarchitektur" ist in der Realität oft nicht einmal so groß wie eine Schuhschachtel. Seine fiktiven Konstruktionen sind Modelle, die erst durch die filmische oder fotografische Darstellung ihre Monumentalität erhalten.

Düstere Momente dürfte es auch in der Vergangenheit des Seerichterhauses gegeben haben. Seine Geschichte als Sitz des Seerichters reicht mindestens bis 1580, vermutlich aber noch deutlich weiter zurück. In der Denkmalliste wird es als Gebäude aus dem Jahr 1735 geführt; zu dieser Zeit erhielt der jetzt sichtbare Bau auch seine barocke Ausstattung, zu der unter anderem eine mächtige Holzdecke mit Bildkartuschen im Obergeschoss gehört. In seinen Kellerverliesen aber befand sich wohl einst das Gefängnis, auch die Todesstrafe durfte der See- und Marktrichter als Vertreter der weltlichen Gerichtsbarkeit verhängen. Jetzt aber soll im Seerichterhaus nach dem Willen seiner Eigentümer Armin und Caroline Willy, die es seit 2014 renovieren, ein "inspirierender Ort für schöne Räume und gleichzeitig eine Art Salonkultur voller interessanter Veranstaltungen" entstehen. Die Architektin Caroline Willy verkauft in ihrer "Galerie Seerichter" im Erdgeschoss ausgesuchte Möbelstücke der vergangenen Jahrzehnte, kombiniert mit Designklassikern und mit moderner Kunst.

Die Ausstellung von Ben Goossens in der "Galerie Seerichter", Prinz-Ludwig-Str. 5 in Dießen, ist nur nach Vereinbarung unter info@galerie-seerichter.de zu sehen.

© SZ vom 15.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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