Dießen:Mühelos

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Faible für Swing und wirkungsvolle Soli: Saxophonist Klaus Graf aus dem schwäbischen Lauffen. (Foto: Micha Brem/oh)

"Charles Graf Quartet" spielt in Dießen Ellington und Strayhorn

Von Reinhard Palmer, Dießen

Viele Veranstalter hatten vor diesem Wochenende eine Corona-Pause verkündet und ihre Konzerte, Kabarett- oder Theaterabende für etwa einen Monat ausgesetzt. Der Dießener Musiksalon im Unterbräu blieb mit dem Charles Graf Quartet eine der letzten Kulturbastionen. Einige Interessenten hätten ihre Reservierung storniert, berichtete Veranstalter und Musiker Michael Lutzeier. Viele aber seien froh gewesen, dass sie noch einmal ordentlich Musik tanken konnten. So ging ein packendes Konzert bei gut gefülltem Gasthofsaal über die Bühne.

Klaus Graf, wie der Altsaxophonist und Professor in der starken Jazzabteilung der Nürnberger Musikhochschule eigentlich heißt, und sein "Nue Quartett" hatten sich mit Duke Ellington befasst und auch eine CD eingespielt. An Grafs Seite wirken junge, doch längst erfolgreich konzertierende Musiker aus Nürnberg und Umgebung. So der vielfach preisgekrönte, in Würzburg und Köln ausgebildete Pianist Andreas Feith und der nicht minder formidable, in Nürnberg und Amsterdam ausgebildete Schlagzeuger Julian Fau.

Anstelle des in Berlin lebenden Kontrabassisten Max Leis kam nach in den Musiksalon ein alter Hase des Jazzfachs: Der 67-jährige Thomas Stabenow, der bis zur Emeritierung an der Mannheimer Musikhochschule eine Professur bekleidet hatte, ist seit Jahrzehnten eine feste Größe im deutschen Jazz.

Dass Graf und Stabenow schon viele gemeinsame Erfahrungen auf der Bühne sammeln konnten, war ihrer Stilistik zu entnehmen. Beide haben offenbar ein Faible für melodiös swingende, vollmundige Diktion, der Grund dafür ist wohl, dass beide mit Bigbands gearbeitet haben. Mit seichter Unterhaltung hatte das freilich rein gar nichts zu tun: Die energischen Phrasen, die vor allem Graf wunderbar schlüssig mit weiten Spannungsbögen zu formen vermochte, hatte meist eine brodelnde Unterlage. Ausgenommen in den von Graf rockig angerauten Balladen, wie im bluesigen "Charpoy" oder im einfühlsamen "Daydream". Der indische Titel "Charpoy" stammt von Billy Strayhorn, der im Schatten des Großmeisters für viele Ellington-Welthits sorgte.

In den Balladen erwies sich allen voran Pianist Feith als überaus einfühlsamer Lyriker. In Titeln wie Strayhorns "Johnny come lately" oder Ellingtons "Cottontail" erntete er indes für seine Virtuosität in perlender Perfektion und für raffinierte Harmonik viel Zwischenapplaus.

Fau brillierte nicht nur mit Variantenreichtum und atemberaubender Klarheit und Präzision selbst in den schwierigsten Rhythmusbrechungen, sondern vor allem auch als aufmerksamer Mitspieler. Er hörte genau hin und griff gerne jede Rhythmusspielerei seiner Kollegen auf. Das sorgte für die besondere Homogenität der Formation, zumal sich auch Stabenow als Routinier blitzschnell auf spontane Ideen mühelos einließ. Selbst in den Walking-Bass-Passagen bewanderte er mit seinen Mitspielern den weiten Tonraum dicht auf deren Fersen.

Auf eine so solide und dennoch kreativ anregende Basis konnte Graf gut bauen. Sein internationales Renommee offenbarte sich nicht nur in der klangvariablen, ordentlich groovenden Spieltechnik, sondern auch in der wohldurchdachten dramaturgischen Gestaltung. Bruchlos wanderte er jeweils von der einfühlsamen Exposition des Themas in seine zunehmend virtuose und klangsatte Auslegung unter einem alles umklammernden Bogen, stets mit wirkungsvollem Kulminationspunkt, der eben nicht zum Abschluss drängte, sondern sich für die Auslegung der Mitspieler weit öffnete.

Ein Ansatz, in den auch Lutzeier am Baritonsaxophon in seinem traditionellen Einsatz zum Konzertendeim Duo mit Graf einzustimmen vermochte. Ellingtons Powerplay "It don't mean a Thing, if it ain't got that Swing" konnte natürlich nicht der Abschluss sein. Für die Zugabe tauschten die Saxofonisten ihre Instrumente und setzten ein rockig-erdiges "The intimacy of the Blues" drauf.

© SZ vom 16.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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