Kultur:Flächen, Farben, Fragmente

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Zum 110. Geburtstag des Künstlers sind im Fritz-Winter-Atelier Dießen Bilder ausgestellt, die dort noch nie zu sehen waren und die Entwicklung von frühen Arbeiten bis zum Spätwerk aufzeigen

Von Katja Sebald, Dießen

Zu seinem 110. Geburtstag widmet dem Maler Fritz Winter nicht nur die Pinakothek der Moderne eine Ausstellung - auch in seinem ehemaligen Atelier in Dießen sind wieder einmal Arbeiten des Künstlers zu sehen, der als einer der wichtigsten Vertreter der abstrakten Malerei im Nachkriegsdeutschland gilt. "Starke Bilder" ist die Zusammenstellung am Ammersee überschrieben, die bis in die 1930er Jahre zurückreicht.

Der 1905 in Altenbögge bei Unna als Sohn eines Bergmanns geborene Winter arbeitete zunächst auch selbst unter Tage, bevor er von 1927 an ein Studium am Bauhaus bei Wassily Kandinsky, Paul Klee und Oskar Schlemmer absolvierte. Schon mit Beginn der 1930er Jahre malte Winter ausschließlich abstrakt. Von den Nationalsozialisten wurde er 1937 mit einem Malverbot belegt, er lebte in Dießen am Ammersee und ging in die innere Emigration. Nach Kriegsjahren an der Ostfront und russischer Gefangenschaft kehrte Winter erst 1949 nach München zurück. Mit Willi Baumeister, Rupprecht Geiger, Theodor Werner und anderen gründete er die "Gruppe der Gegenstandslosen" ZEN 49.

Spätestens seit seiner Teilnahme an der ersten Documenta in Kassel im Jahr 1955 war Fritz Winter das künstlerische Aushängeschild der jungen Bundesrepublik und erfuhr auch auf internationaler Ebene viel Beachtung. Er selbst brachte 1974, zwei Jahre vor seinem Tod, einen Großteil seines künstlerischen Nachlasses in eine Stiftung ein, die heute bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen angesiedelt ist.

Die Galerie im Atelier Dießen ist eine Dependance des 1975 von der Nichte des Künstlers, Helga Gausling, eröffneten Fritz-Winter-Hauses in Ahlen, wo Winter seine Kindheit und Jugend verbrachte. Er sei stolz, nach nunmehr 23 Jahren als Galerist 85 Prozent der Werke nach Dießen zu holen, die bislang noch nie am Ammersee zu sehen waren, sagte Michael Gausling, Großneffe des Künstlers, bei der Ausstellungseröffnung. Dabei soll ein Bogen gespannt werden von den eher grafisch geprägten, frühen Arbeiten zum Spätwerk, in dem das Thema Farbe stark in den Vordergrund tritt.

Exemplarisch für Fritz Winters Spätwerk mit der Farbe im Vordergrund: "Räume horizontal" entstand 1969 - sieben Jahre bevor der Künstler verstarb. (Foto: Arlet Ulfers)

In den Sechziger Jahren setzte sich Winter, der ursprünglich stark von Kandinsky und seiner richtungsweisenden Schrift "Über das Geistige in der Kunst" geprägt war, auch mit Tendenzen des Informel und der Farbfeldmalerei auseinander. Als exemplarisch darf hier das große Gemälde "Räume horizontal" aus dem Jahr 1969 mit Farbflächen in Dunkelblau, Rotbraun und Petrol gelten, das - allerdings farblich stark verändert - auch auf der Einladungskarte abgebildet ist. Beeindruckend ist aber auch die "Abschrift der Gesetzestafeln" von 1958, die mit kryptischen Schriftzeichen ein tiefer liegendes Geheimnis suggeriert. Außerdem werden zurückhaltende Arbeiten in Grautönen aus den 1930er Jahren präsentiert.

Besonders interessant für den heutigen Betrachter sind die immer neuen Bildfindungen in Winters Werk. Niemals verharrt der Künstler auf Dauer bei einem einmal gefundenen Formen- und Farbenkanon. Ein einziges Thema bleibt jedoch über all die Jahre bestimmend: In seinen stets ausgewogenen Bildkompositionen geht es niemals um rein formale Auseinandersetzungen, sondern immer um einen übergeordneten Bezug zur Natur, zu einem großen Schöpfungsmythos.

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(Foto: Arlet Ulfers)

Ebenfalls 1969 entstanden: "Schwarz und Weiß".

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(Foto: Arlet Ulfers)

Kryptische Botschaft: "Abschrift der Gesetzestafeln" von 1958.

"Starke Bilder" sind noch bis 14. Februar jeweils donnerstags bis samstags von 14 bis 18 Uhr im Dießener Atelier, Forstanger 15 a, zu sehen. Vom 21. Dezember bis 5. Januar ist die Galerie geschlossen.

© SZ vom 08.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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