Dießen:Der Perfektionist

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Der Landsberger Künstler Otto Scherer zeigt im Fritz-Winter-Atelier Keramikarbeiten, die bei aller scheinbaren Einfachheit hochkomplex sind

Von Katja Sebald, Dießen

Wer bei Keramik an Handgemachtes und Handwerkliches vom Töpfermarkt denkt, der liegt diesmal vollkommen falsch: Otto Scherer zeigt derzeit im Fritz-Winter-Atelier höchst außergewöhnliche Keramikarbeiten, die Op-Art und Minimalismus, technische Perfektion und kühne Formen, außerdem eine metallisch-glatte Kühle und zugleich eine aufreizende Sinnlichkeit in sich vereinen.

Alles an diesen Plastiken und Reliefs ist irritierend. Schon im Garten liegt ein großer, rot-silbrig glänzender Kreisel, von dem man niemals glauben würde, dass er nicht aus Metall, sondern aus Keramik geformt ist. An den Wänden der Galerie hängen dann quadratische, unterschiedlich aufgewölbte, rasterartig gestaltete Platten, in deren makellosen Oberflächen man als Betrachter wie in einem Spiegelkabinett vielfach verzerrt oder in unendlichen Wiederholungen reflektiert wird. In der Mitte des Raums steht - oder besser liegt - auf einem Sockel ein großer Ellipsoid, dessen Oberfläche von einer spiegelnden Platinschicht überzogen ist.

Vor dem Fenster stehen in einer Reihe Würfel, ebenfalls platinglänzend, auch sie mit Auswölbungen, Lamellen und Vertiefungen, mit lanzettartigen Auswüchsen oder mit wellenartigen Mustern überzogen. Es gibt auch schimmernd goldene Objekte, Würfel, Scheiben, konkave und konvexe Formen. Und dann dieses Rot: Wie gelackt erscheint es auf der Außenseite einer liegenden Rolle, in deren seitlicher Trichteröffnung aber verschwindet es wie flüssig in einem Strudel. Auf dem Boden liegend wird dazu die Gegenform mit dem spitz herausragenden Stachel präsentiert. Aber es gibt nicht nur diese perfekt spiegelglatten Flächen, es gibt auch Strukturen, die wie geritzt, gehämmert oder gepunzt wirken.

Otto Scherer, der seine Werkstatt in Stoffen bei Landsberg hat, ist ein Perfektionist und beherrscht seine Werkstoffe ebenso virtuos wie meisterhaft. Er verarbeitet Keramik mit einer solchen Exaktheit, wie man es sonst nur beim Einsatz für technische Zwecke in der Industrie kennt. Er verwendet Gießformen, die er vom Schreiner anfertigen lässt, die zuweilen aber auch einfach schnöde Alltagsgegenstände sein können. Seine Glasuren stellt er selbst her, auch für das Aufbringen der hauchdünnen Schichten von Platin oder Gold hat er ein eigenes Verfahren entwickelt.

Otto Scherer versteht die Kunst der Reduktion und Abstraktion, seine Plastiken und Reliefs sind Objekte - und sonst nichts. Sie wollen keine Sinnbilder oder Parabeln oder auch nur verfremdete Gegenstände sein. Dennoch sind sie keineswegs simpel, sondern hochkomplex, gerade weil sie den Betrachter irritieren und ihn zugleich verführen. Otto Scherer ist auch ein Spieler, er spielt nicht nur mit Formen, sondern auch mit der Wahrnehmung: Je nachdem, aus welcher Perspektive und Entfernung man seine Objekte betrachtet, verändert sich ihre Wirkung auf höchst reizvolle Weise.

1952 in Siebenbürgen geboren, absolvierte Scherer in Kronstadt eine künstlerische Ausbildung in den Bereichen Grafik, Malerei und Bildhauerei. Kurz vor der Wende konnte er Rumänien verlassen, seit 1991 lebt und arbeitet er in Stoffen bei Landsberg. Seine Arbeiten waren in zahlreichen Ausstellungen zu sehen, unter anderem auch in Washington. Eine parallele Einzelausstellung mit Arbeiten, die er als Hommage an Künstler der Klassischen Moderne verstanden wissen will, wird am 8. April im Stadtmuseum Weilheim eröffnet.

Die Ausstellung im Fritz-Winter-Atelier in Dießen ist noch bis zum 28. Mai zu sehen (jeweils donnerstags bis samstags von 14 bis 18 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 18 Uhr).

© SZ vom 30.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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