Corona-Pandemie:Ein Starnberger in Florida

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Tobias Kaiser arbeitet als Immobilienmakler im Sonnenstaat der USA, er hat mehr als 600 Häuser mit Preisen zwischen 400 000 und 36 Millionen Dollar im Angebot. Doch im Moment zieht es ihn nicht nach Amerika

Von Christine Setzwein, Starnberg

Seit 40 Jahren lebt Tobias Kaiser am Starnberger See, zunächst in Feldafing, dann in der Kreisstadt. Seinen Arbeitsplatz hat der 63-Jährige weit weg, dort, wo er nicht mal schnell hinpendeln kann. Sein Büro liegt in Florida, genauer gesagt in Boca Raton.

Tobias Kaiser ist Broker, er makelt mit Immobilien und ist spezialisiert auf Architektur der zeitgenössischen und klassischen Moderne sowie auf Anlageobjekte. Ein Job, der ihm großen Spaß macht, aber momentan zieht es ihn kaum über den Atlantik. Seinen Rückflug hatte er eigentlich für den 1. September gebucht, ihn nun aber auf unbestimmte Zeit verschoben. Am liebsten würde er bis 3. November hierbleiben. An diesem Tag wählen die Amerikaner ihren Präsidenten - einen neuen, hofft Kaiser. Seit fast 30 Jahren ist der Starnberger im Besitz der Green-Card, mit der "US Permanent Resident Card" hat er die unbefristete Erlaubnis, sich überall in den USA aufzuhalten und dort zu arbeiten. George H. W. Bush, Bill Clinton, George W. Bush, Barack Obama: Kaiser hat einige Präsidenten erlebt, keiner habe Amerika so geschadet wie Donald Trump. "Er tut dem Land nicht gut." Die Spaltung der Nation durch Trump in "Sie" und "Wir" hält der Starnberger für hochgefährlich. Seit er den Großteil des Jahres in den Staaten lebe und arbeite, habe er noch so viel Hass und Gewalt gesehen.

Noch etwas hält Tobias Kaiser im Fünfseenland: Florida ist zum Corona-Hotspot geworden. Die Zahl der Infizierten steigt massiv an. Floridas Gouverneur Ron DeSantis, eine Vertrauter Trumps, habe lange nichts getan, um die Pandemie einzudämmen, und rede sie immer noch klein, sagt Kaiser. "Uns fehlte eine Leuchtturmperson wie Angela Merkel."

Dass er einmal als Immobilienmakler in Amerika landen würde, war dem Sohn einer Unternehmerfamilie nicht in die Wiege gelegt. Nach dem Abitur studiert er erst einmal eher lustlos vier Semester Jura in Köln. Er weiß nicht wirklich, was er machen soll. Eine Mentorin weist ihm den Weg in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Kaiser schreibt sich an der Universität von Syracuse ein und macht dort 1982 seinen Master of Science in Kommunikationswissenschaften.

Es grünt und blüht hoch über dem Starnberger See: Garteln ist die große Leidenschaft von Tobias Kaiser. (Foto: Nila Thiel)

Anschließend kehrt er zurück nach Europa und arbeitet zehn Jahre lang in der Werbung. 1991 gründete er eine Immobilienberatung und -verwaltung in Fort Lauderdale in Florida, 1992 erhält er seine staatliche Zulassung als Immobilienmakler und im Jahr 2000 sein Diplom als zertifizierter Fachmakler für internationale Immobilien-Transaktionen (CIPS). Moderne Architektur hat ihn schon als Kind fasziniert, also spezialisiert er sich darauf.

Überhaupt Spezialisierung: Der Maklerberuf in Amerika sei mit dem in Deutschland kaum zu vergleichen. In den Staaten sei es wesentlich schwieriger, eine Lizenz zu erhalten, sagt Kaiser, und Käufer und Verkäufer seien viel besser geschützt als hier. Das Modell der Netto-Vermietungen, eine Form von Rendite-Immobilieninvestitionen, sei in den USA häufig anzutreffen. Beim "Triple Net Lease" zum Beispiel zahlt der Mieter nicht nur die Miete, sondern auch Grundsteuern, Versicherung und Reparaturen. Der Vermieter trägt keinerlei Verantwortung und Risiko für das Objekt und erhält es nach Ablauf des Mietvertrags im gleichen Zustand zurück, wie es war. "Ich überlege", sagt Kaiser, "das auch in Deutschland anzubieten."

Mehr als 600 Häuser der klassischen und zeitgenössischen Moderne kann Kaiser in Florida vermitteln. Ihr Preis: zwischen 400 000 und 36 Millionen Dollar. Für Interessenten hat er einen kurzen Ratgeber "Florida-Immobilien kaufen und verkaufen" verfasst.

In Starnberg arbeitet er momentan an seinen Websites, die es in Englisch und Deutsch gibt. Der Immobilienmarkt in Florida sei stabil, vor allem Miami sei gerade "hip". Viele Investoren kämen aus Brasilien, Kanada, aber auch aus Italien und Deutschland. Geld ist da. Kaiser: "Mindestens 60 Prozent der Häuser über eine Million Dollar werden bar bezahlt." Drei Mitarbeiter hat er beschäftigt. Seine Frau Lisa, eine Amerikanerin, mit der seit 16 Jahren verheiratet, sei "Herz und Seele des Unternehmens".

Auch Motorradfahren zählt zu Kaisers Hobbies. Damit kommt man in den Everglades zum kleinsten Postamt Floridas (Foto: privat)

Seit der Corona-Krise finden Immobilien-Besichtigungen nur unter strengen Hygieneauflagen statt. Der Landkreis Palm Springs habe als einer der ersten die Maskenpflicht eingeführt, erzählt Kaiser. Trotz des Republikaners Ron DeSantis. Auch im Freundeskreis wirkt sich die Pandemie aus. Kaiser: "Wir befinden uns in einer Quarantine-Bubble." Man trifft sich nur noch mit Leuten, die genauso vorsichtig sind, wie man selbst ist. Es gibt auch Absagen bei Einladungen, wenn jemand kommt, der es nicht so genau nimmt mit den Hygienevorschriften.

Wie lange Tobias Kaiser noch zwischen Bayern und Florida pendelt, weiß er nicht. Noch arbeitet er sehr gern - "und das Winterwetter im Sunshine-Staat ist unschlagbar". Motorradfahren wiederum ist hier viel schöner. Die ewig langen und schnurgeraden Straßen in Florida "sind langweilig". Spannender sind da schon das Fotografieren und Kochen. Aber die große Leidenschaft des 63-Jährigen ist das Gärtnern. "Ich habe schon als Kind Bäume im Blumenbalkonkasten gezüchtet."

Wo er einmal sein möchte, wenn er nicht mehr hin und her fliegen will oder kann, weiß er ganz genau: "Hier", sagt er, "Starnberg ist meine Heimat."

© SZ vom 16.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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