Corona-Auszeit: Der Musiker:"Im Moment sind wir alle total ratlos"

Lesezeit: 3 min

Erik Berthold hat gewöhnlich bis zu 20 Auftritte im Monat. Jetzt ist alles abgesagt, sein Laden in Oberpfaffenhofen geschlossen.

Interview von Gerhard Summer, Weßling

Erik Berthold gehört zu den umtriebigsten Folkmusikern weit und breit. Der Sänger und Gitarrist gibt etwa 200 Konzerte im Jahr, ob allein oder mit Formationen wie den Peacemakers oder den Corner Kids, ob in Kleinkunstbühnen oder auf Floßfahrten. Und der 55-Jährige, der selbst fünf Kinder hat, unterrichtet in der Franziskus- und der Fünfseenschule Starnberg Jugendliche mit Behinderung und betreibt auch noch sein Geschäft "Acoustic Corner" in Oberpfaffenhofen. Doch nun klafft in seinem Terminkalender eine große Lücke: Alle Livekonzerte bis Mitte April sind abgesagt, der Laden ist geschlossen, der Unterricht verschoben.

SZ: Wie geht es Ihnen?

Erik Berthold: Eigentlich gut. Es ist Frühling und so schönes Wetter, und ich habe so viel zu tun, dass ich gar nicht zum Nachdenken komme.

Wie das?

Ich habe das Glück, dass ich im Tonstudio arbeiten kann, und zwar bei meinem alten Freund Sigi Schöbel, der mit seiner "Tonküche" von Gauting nach Haag umgezogen ist. Ich nehme eine CD auf im Auftrag der Lebenshilfe Starnberg, die im nächsten Jahr ihr 50. Jubiläum feiert. Ich bin ja seit gut drei Jahren Leader der Franzisband, einer Formation, die an der Franziskusschule der Lebenshilfe gegründet worden ist.

Aber Sie nehmen nicht mit der kompletten Band auf, oder?

Nein, allein in einer Kabine mit Schallschutz. Und der Studiotechniker sitzt in einem anderen isolierten Kasten. Momentan sing' ich das Ganze ein und spiele Gitarre dazu. Es geht um zwölf Songs: eigene Stücke, aber auch bekannte Lieder, die ich für die Franzisband arrangiere, zum Beispiel "Schuitog" von der Spider Murphy Gang. Die Texte schreib' ich selber, sie drehen sich um Barrierefreiheit und andere Probleme, die Menschen mit Handicap haben, und um die Zukunft. Die Musiker sind gerade in der Oberstufe und 17 oder 18 Jahre alt, da stellt sich die Frage, wie es für sie nach dem Abschluss weitergeht.

Sie sind beschäftigt, aber wie sieht es mit dem Verdienst aus?

Abgesehen von einem Vorschuss fließt das Geld erst, wenn die Produktion abgeschlossen ist.

Wie kommen Sie denn jetzt so über die Runden?

Ich bin komplett freischaffend, und es ist alles abgesagt in vollem Umfang. Ich hoffe, dass ich das zugesagte Überbrückungsgeld bekomme, mit dem man sich über einen Monat retten kann. Im Moment sind wir total ratlos, also alle freischaffenden Musiker. Vergangenen Samstag hatte ich meinen vorerst letzten Auftritt: eine Privatveranstaltung im Inninger Spektakel, ein runder Geburtstag mit vielen Gästen, das war nicht schlecht bezahlt. Und jetzt hab' ich momentan 20 Absagen, seitdem der Katastrophenfall ausgerufen ist.

Was ist Ihre größte Sorge?

Ich und viele andere Musiker, die sozusagen in meinem Boot sind, haben die Sorge, dass nichts Neues gebucht wird für den Sommer. Der März ist der wichtigste Buchungsmonat fürs ganze Jahr. Doch momentan passiert gar nichts. Und es ist fraglich, ob das Tollwood in München und das Kulturspektakel Gauting oder auch die Wiesn überhaupt stattfinden, alle wichtigen Festivals und Feste, die jetzt schon unter Dach und Fach sein müssten. Denn: Ein Festival kurzfristig buchen, das wird keiner machen.

Warum?

Weil keiner weiß, wie es jetzt weitergeht, die Krise kann ja noch länger dauern. Und angenommen, es geht bis Mai: Dann könnte es zu spät sein, um ein Festival noch auf die Beine zu stellen. Denn der Ticketverkauf hat ja auch seine Vorlaufzeit.

Ihre größte Sorge ist also, dass alles bis Ende des Jahres flachfallen könnte?

Ja, und wenn der Mai auch wegbrechen würde, dann würde es schwierig. Mai, Juni und Juli - das war für mich Vollgas-Zeit. Ich hatte da immer so 20 Jobs im Monat.

Was machen Sie in der Zwangspause?

Die To-do-Liste abarbeiten: die Bude streichen und die eigenen Instrumente herrichten, wozu ich sonst nicht komme. Dann werde ich aber schon nervös, wenn ich eine ganze Woche nichts machen.

Sie könnten Hauskonzerte aufnehmen und streamen.

Da bin ich nicht der Typ dafür, ich bin der Musiker des First Take, ich kann nicht in mehreren Anläufen aufnehmen, das nervt mich. Ich geh ins Studio und lege sofort los.

Das würde doch passen: ein Hauskonzert in einem Take?

Ja, aber ich glaube nicht, dass ich so etwas mache. Wenn es keine Ausgangssperre gibt, gehe ich lieber nach München und mach' dort Straßenmusik, wenn das überhaupt möglich ist. Wer weiß?

Gibt es etwas, worauf Sie sich freuen?

Dass ich mich vor meinen Laden setzen und mal rein gar nichts tun kann, ohne schlechtes Gewissen. Ich habe das Gefühl, dass wir alle unter Hochspannung leben. Es wäre wichtig für viele Menschen: wegzukommen von der ganzen Hektik und Spannung.

Vielen Dank und bleiben Sie gesund!

© SZ vom 26.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: