Bürokratie:Amtliche Sendepause

Lesezeit: 4 min

Helferkreise werfen der Kreisbehörde vor, zu langsam zu arbeiten und zu restriktiv zu entscheiden, wenn Asylbewerber arbeiten oder eine Ausbildung machen wollen

Von Astrid Becker, Starnberg

Aus den Helferkreisen wird massive Kritik am Landratsamt laut. Sie werfen der Behörde vor, bei der Erteilung von Arbeitserlaubnissen und Ausbildungsgenehmigungen zu langsam zu arbeiten und einen restriktiveren Kurs eingeschlagen zu haben als nötig. Erst vor gut zwei Wochen hatte Landrat Karl Roth in einer Pressekonferenz betont, das Landratsamt schöpfe das vom Gesetzgeber eingeräumte Ermessen so weit wie möglich aus. Die Helfer hingegen sehen das anders und sind tief enttäuscht. Sie vermuten System hinter der Vorgehensweise der Behörde. Im Sprecherrat der Asylhelfer im Landkreis, die sich um Arbeitsvermittlung kümmern, kommt sogar der Gedanke auf, das ehrenamtliche Engagement hinzuwerfen - weil es sinnlos geworden sei, wie viele sagen.

Ein Blick in die Praxis jedenfalls kann die Vorwürfe der Helfer nicht widerlegen. So haben etwa 100 Asylbewerber in diesem Sommer die Vorbereitungsklassen für die Berufsschule abgeschlossen. Viele von ihnen haben einen Ausbildungsplatz gefunden - doch auf die Genehmigung, diesen auch antreten zu können, warteten sie teilweise monatelang vergeblich. Zum Beispiel Lya F. (Name geändert) . Die 20-jährige Irakerin hatte von einem Krankenhaus im Landkreis einen Ausbildungsvertrag zur Krankenpflegefachhelferin bekommen. Die Frau sollte diese Stelle am 1. September antreten. Am 20. Juli reichte sie den Antrag auf Genehmigung beim Landratsamt ein. Eine Antwort bekam sie nicht - obwohl bei ihr der Fall einfach zu entscheiden gewesen wäre, wie Rechtsanwältin Stephanie Kaufmann-Jirsa sagt, die auch im Helferkreis Feldafing ist.

Als Irakerin besitze die Frau eine hohe Bleibeperspektive. Sie habe zudem ein B 1-Sprachdiplom (was sogar für einen Zugang zu einer Hochschule ausreichen würde), in derselben Klinik bereits ein freiwilliges soziales Jahr absolviert und damit die Kriterien erfüllt, die für einen positiven Bescheid sprächen. Als die Irakerin bis Ende August noch immer keine Antwort erhalten hatte, fragte sie selbst im Landratsamt nach. Dort erfuhr sie, Wochen später, dass ihr Vertrag verloren gegangen sei. Lya F. eilte in ihre Unterkunft zurück, holte ihr Exemplar und gab es noch einmal ab. Nur mit Hilfe von Kaufmann hat es schließlich dann doch noch mit ihrer Lehrstelle geklappt: "Ich musste mich dafür aber im Ton vergreifen", erzählt Kaufmann. 24 Stunden später bekam Lya F. ihre Genehmigung. Was in diesem Fall laut Kaufmann aber auch in zehn Minuten zu erledigen gewesen wäre.

Schlechter ging die Sache für zwei junge Männer aus Afghanistan aus. So hatte der 18-jährige Hamed B. (Name geändert) sein erstes Jahr in der Berufsschule abgeschlossen. Auch er kann ein Sprachdiplom vorlegen: A 2 - was ihm den Zugang zu einem Studienkolleg ermöglichen würde. Er wollte in einem kleinen Supermarkt im Landkreis eine Ausbildung absolvieren. Den Vertrag dazu gab es. Allerdings reagierte das Landratsamt auch in seinem Fall wochenlang nicht auf seinen Antrag auf Ausbildungsgenehmigung. Hamed B. hatte laut Kaufmann keine eigentliche Vorbeschäftigung, wie gefordert wird, aber immerhin einen Ein-Euro-Job vorzuweisen: Am Donnerstag, 7. September, bekam er seinen positiven Bescheid, knapp eine Woche nach dem offiziellen Ausbildungsbeginn.

Sein Landsmann, der 20-jährige Jawid J. (Name geändert) wartet hingegen noch immer auf eine Genehmigung. Wohl vergeblich. Er sollte seine Lehre in einem Segelmacherbetrieb zum 1. September beginnen. Sein Antrag dazu liegt viele Monate zurück. Im Februar hatte er ihn gestellt und gleichzeitig auch einen Antrag als Helfer in dieser Firma bis zum Ausbildungsbeginn gestellt. Im Juni lag laut Kaufmann noch immer keine Antwort vor - obwohl die Tätigkeit sich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften bewegte. So lag beispielsweise die Bezahlung dafür über dem Mindestlohn - auch ein Punkt, der, wenn sich Unternehmen daran nicht halten, zu einem negativen Bescheid führt.

Anfang Juli bekam Kaufmann dann einen Anruf. Die Lehrstelle würde nicht genehmigt werden, weil keine dreimonatige Vorbeschäftigung nachgewiesen worden sei. Kaufmann wies darauf hin, dass für diese Vorbeschäftigung die Helfertätigkeit im selben Betrieb beantragt, aber vom Landratsamt nicht bearbeitet worden sei. Die Behörde gab dann die Auskunft, es könne ja ein neuer Antrag eingereicht werden und statt der Ausbildung ein Praktikum beantragt werden. Dieses würde sofort genehmigt. Kaufmann folgte dieser Auskunft. Doch für den Nachweis einer drei Monate langen Vorbeschäftigung reichte die Zeit bis zum 1. September nicht mehr aus. "Nun ist es zu spät", sagt Kaufmann, "der Berufsschulblock läuft bereits". Auf den offiziellen, schriftlichen Bescheid zur Ausbildungsgenehmigung wartet sie noch heute. "Ich hoffe, dass er nach Abschluss des Praktikums wenigstens weiterarbeiten darf, wenn er schon keine Ausbildung machen darf", sagt Kaufmann.

Fälle wie diese bringen Georg Strasser, den Vorsitzenden des Sprecherrats der ehrenamtlichen Asyl-Arbeitsvermittler im Landkreis, zur Weißglut. Allein der Passus mit den geforderten drei Monaten Vorbeschäftigung entbehre jeder gesetzlichen Grundlage, sagt er. Tatsächlich ist dieser Punkt etwas, das im sogenannten "Ermessen" der Ausländerbehörde liegt. Das Landratsamt dazu: "Eine Ermessensentscheidung verpflichtet die Verwaltung, ihren Entscheidungsspielraum anhand von sachgerechten Überlegungen auszuüben. Vor diesem Hintergrund werten wir beispielsweise Vorbeschäftigungen, die Beleg dafür sein können, dass der Antragsteller in der gewählten Berufssparte mit hoher Wahrscheinlichkeit Fuß fassen kann, positiv. Dazu können Praktika - insbesondere beim zukünftigen Ausbilder - gehören, sofern sie eine bestimmte Mindestdauer nicht unterschreiten. Das ist nach unserer Einschätzung ab einem Zeitraum von drei Monaten gegeben."

Für Strasser ist genau diese Haltung ein deutlicher Hinweis darauf, dass das Landratsamt sein Ermessen eben nicht so weit wie möglich ausdehne, wie in der Pressekonferenz verkündet worden war. Vor allem die geforderten und "willkürlich angesetzten drei Monate Vorbeschäftigung bei ein und demselben Arbeitgeber" nennt er "Unsinn" und sogar "kontraproduktiv" - vor allem, weil diese drei Monate in vielen Fällen nicht umzusetzen sind. Zum Beispiel dann nicht, wenn die Bewerber die zwei Jahre dauernden Vorbereitungsklassen der Berufsschule besucht hätten - ein "Projekt, in das Millionen Euro geflossen sind", wie er sagt. Denn diese Schüler absolvierten im zweiten Jahr mehrere Praktika bei verschiedenen Arbeitgebern, so sieht es der Ausbildungsplan vor, aber eben kein Vierteljahr am Stück bei ein und derselben Firma. Die Praktika vermittle die Berufsschule, die auch dabei helfe, Ausbildungsplätze zu finden. Auch die Helferkreise wendeten enorme Mühen auf, um Asylbewerber in Brot und Lohn zu bringen. Mit dem Kurs des Landratsamts allerdings vergeblich, wie Strasser findet: "Angesichts dessen fragen sich viele Helfer, ob ihre Arbeit nicht einfach sinnlos geworden ist."

© SZ vom 11.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: