Gauting:Die Senioren-Burg

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Im Juli will das Rote Kreuz eine Anlage mit Betreutem Wohnen, Pflegeheim und Sozialstation eröffnen, die sich Mehrgenerationencampus nennt.

Von Michael Berzl, Gauting

Von der Decke hängen Kabel, am Boden stapeln sich Säcke mit Fliesenkleber, die Teppichböden in den Fluren des Rohbaus sind noch abgedeckt, damit sie nicht schmutzig werden: In der neuen Anlage des Gautinger BRK-Kreisverbands (Bayerisches Rotes Kreuz) ist noch viel zu tun bis zur Fertigstellung im Sommer, doch die Senioren, die dort einziehen möchten, stehen schon Schlange. Etwa hundert Interessenten für das Betreute Wohnen hätten sich schon gemeldet, berichtete Marcus Wicke, der Bereichsleiter für Senioren und Pflege beim Starnberger BRK, bei einem Rundgang auf der Baustelle in der vergangenen Woche.

Und das trotz hoher Preise. "Die Miete ist nicht ganz günstig", räumt Kreisgeschäftsführer Jan Lang bei dem Ortstermin ein. Bei einer Kaltmiete von 23 Euro pro Quadratmeter kommen da bei den größeren Drei-Zimmer-Wohnungen zusammen mit einer Betreuungspauschale etwa 2400 Euro zusammen. Die Miete sei höher als im Altenheim der Caritas ganz in der Nähe, aber immer noch weniger als im Andechser Hof in Herrsching, sagte Lang.

Dafür gibt es in dem "Mehrgenerationencampus" in Gauting ein umfassendes Angebot, das in der Umgebung wohl seinesgleichen sucht: Außer den 22 Wohnungen mit Betreuung gibt es ein Pflegeheim mit sechs familienähnlichen Hausgemeinschaften und jeweils eigenen Küchen für insgesamt 84 Bewohner und eine Tagespflege für bis zu 20 Gäste. Es gibt einen Multifunktionsraum, der für Feste und Gottesdienste genutzt werden kann, außerdem finden sich auf dem Gelände eine Bibliothek und ein Café, Physiotherapie und Friseur, eine Sozialstation, die ambulante Pflege und hauswirtschaftliche Dienste anbietet und derzeit schon etwa 200 Kunden hat. Die Fachstelle für pflegende Angehörige bietet ihren Rat an, ehrenamtliche Helfer bekommen dort ihren neuen Stützpunkt. Ein Kindergarten ist dort schon seit zwei Jahren in Betrieb. Für Mitarbeiter stehen zehn Wohnungen zur Verfügung.

Die Investitionen für die gesamte Anlage, die auf einem insgesamt einen Hektar großen Gelände am südlichen Ortsrand von Gauting von der BG Immobiliengruppe in Eichenau errichtet wurde, beziffert das BRK mit 30 Millionen Euro. Bis zum kommenden Juli sollen die Arbeiten abgeschlossen sein, wenn nichts dazwischen kommt, hofft Bereichsleiter Wicke.

Für das Betreute Wohnen ist Angelika Ziegler als "Hausdame" zuständig. Zuvor hatte sie als Biologielaborantin beim Helmholtz-Zentrum in München gearbeitet. Sie wohnt seit zwei Jahren mit ihrer Familie in Gauting.

Anfang Mai sollen nach den Planungen des Roten Kreuzes die ersten Bewohner einziehen. 30 Stunden in der Woche steht ihnen Ziegler als Ansprechpartnerin zur Verfügung. Zunächst aber ist es ihre Aufgabe, Gespräche mit den vielen Mietinteressenten zu führen. Dafür kann sie die Räume des Kindergartens auf dem Gelände nutzen. Einzelne Bewerber haben schon ganz konkrete Vorstellungen, wo sie wohnen möchten. So wolle ein Interessent zum Beispiel unbedingt eine Wohnung mit Blick auf den Supermarktparkplatz nebenan, denn diese Zimmer sind nach Süden ausgerichtet. Zugleich beginnt das Rote Kreuz mit der Suche nach Personal. Hausdame Ziegler ist schon engagiert, Gespräche mit Kandidaten für die Heimleitung laufen bereits. Am schwierigsten jedoch wird es werden, das nötige Pflegepersonal zu finden; dabei geht es um etwa 60 Stellen. "Das wird eine Herausforderung", sagt Bereichsleiter Wicke.

Währenddessen macht sich BRK-Geschäftsführer Lang viele Gedanken über gestalterische Details. Wenn er dann auf einer Terrasse über der künftigen Bücherei steht und mit Blick auf den Innenhof erläutert, wie das alles einmal aussehen wird, kann er ins Schwärmen geraten: "Wie eine Schlossanlage mit Innenhof. Wir haben uns inspirieren lassen von einem mittelalterlichen Marktplatz." Eichen sollen dort gepflanzt, ein Bachlauf soll angelegt werden. Wicke empfindet die Situation "wie ein Dorf in der Stadt". Tatsächlich vermittelt die Anordnung der Gebäude rund um einen Platz schon im Baustellen-Zustand ein Stück Geborgenheit. Lang will dort auch einen Wochenmarkt etablieren.

Ein besonderes gestalterisches Detail hat sich erst im Zuge der Bauarbeiten ergeben. Die Gebäude reichen im rückwärtigen Bereich direkt bis zum Hang, dem ehemaligen Würmufer. Beim Abgraben kam Nagelfluh-Gestein zum Vorschein, sogar kleine Sprengungen waren dort nötig, erzählte Lang. Das Steinkonglomerat will er nun noch mehr herausarbeiten lassen und bewusst für die Gestaltung der Außenanlagen nutzen, "zum Thema machen", wie er das nennt.

Im Innenhof soll eine Skulptur aufgestellt werden. Der Bildhauer Maximilian Fliessbach aus Bichl bei Benediktbeuern, der sich Marsilius nennt, arbeite schon daran, berichtete Lang. Motiv und Material seien aber selbst ihm noch nicht bekannt. Das bleibe vorerst noch ein Geheimnis.

© SZ vom 21.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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