Bilanz:So war der Sommer im Fünfseenland

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Das schöne Wetter freut viele, beschert Wasserrettern und Bauern aber auch Arbeit.

Von Christian Deussing, Carolin Fries, Otto Fritscher und Daniela Kreck

Die schlechte Nachricht lautet: Auch dieser Sommer wird einmal zu Ende gehen. Die gute: noch nicht jetzt. In der kommenden Woche sollen die Temperaturen noch einmal in Richtung 26 Grad klettern und Sonne ist vorhergesagt. Wenn die Meteorologen recht behalten und nicht der Kalender, bleibt der Sommer auch nach dem Herbstanfang am kommenden Wochenende noch einige Tage. Da sind noch ein Eis in der Sonne, noch ein Köpfer in den See und noch ein Feierabend im Biergarten drin.

Fast ein halbes Jahr hält das Hoch nun an. Die Wetterbeobachter auf dem Hohen Peißenberg sprechen bereits von den wärmsten und sonnigsten fünf Monaten zwischen April und August seit Beginn der Messungen - und die begannen in der ältesten Bergwetterwarte der Welt im Jahr 1781. Am 9. August zeigten die Thermometer 34 Grad. An diesem Tag erreichte auch der Ammersee mit 27,2 Grad seine Höchsttemperatur. Die wurde am Starnberger See schon fünf Tage davor mit 24,4 Grad verzeichnet. Und am Pilsensee gab es einen Tag danach badewannenwarme 29,5 Grad.

Doch zur Sonne gehören auch die Schattenseiten: Der Lüßbach, der in Percha in den Starnberger See mündet, war stellenweise ausgetrocknet. Forellen mussten in den See umgesiedelt werden. In Herrsching sperrte die Gemeinde den neuen Sprungturm in den Ammersee, weil der Pegel unter drei Meter gefallen war. In Starnberg stießen Stadtbäume in zwei Fällen ganze Äste ab - eine Stressreaktion auf den Wassermangel. Die Gärtner im Landkreis waren praktisch den ganzen Tag mit Gießen beschäftigt. Während sich die Obstbäume unter der Last der Früchte biegen, bangten viele Bauern um die Ernte. Eine Bilanz des Fünfseenlands:

Der Eisverkäufer

Die Werkstatt, die Eis produziert - seit März 2017 ist jener Eisladen in Starnberg geöffnet. Doch diesen Sommer ging es stressiger denn je zu. "Die Schlange ging manchmal bis vor die Tür raus", erklärt Sven Thunig, einer der Besitzer der Starnberger Eiswerkstatt. Normalerweise hat sie bis 21 Uhr geöffnet, doch diesen Sommer gab es öfters Ausnahmen. "Wir arbeiteten manchmal bis 23 Uhr, da man nachts immer noch im T-Shirt draußen hocken konnte", erzählt Sven. Ihm ist dieses Jahr ein typisch südeuropäische Verhalten der Starnberger aufgefallen: Mittags war niemand unterwegs, dafür waren die Leute umso länger abends draußen. Er gibt zu, dass es bei solchen Temperaturen anstrengend wird. "Aber dann legt man halt ein paar Nachtschichten ein", so Sven und lächelt. Mit Bruder Jan Thunig stellen sie all ihre Köstlichkeiten selber her - ob es das Eis oder die Waffeln sind. Bekannt ist der Laden für seine außergewöhnlichen Sorten, wie zum Beispiel Zitrone-Basilikum oder Schokoladen-Sorbet. Aktuell sei das Starnberger Stadteis sehr beliebt, doch tendenziell bevorzugen die Gäste Standardsorten, wie Vanille oder Himbeere, so Thunig. "Dieses Jahr hat ein Mädchen ganze fünf Kugeln Zitroneneis alleine aufgegessen", erzählt er und lacht.

Der Wirt

Michael Smolka schaltet gleich mal einen Gang runter. "Ob aus dem Wahnsinns-Sommer eine Wahnsinns-Saison wird, wird erst der Herbst zeigen", sagt der Wirt vom Maisinger "Seehof". Der 42-Jährige spricht aus Erfahrung, erst im vergangenen Jahr habe ein "unterdurchschnittlicher Herbst" die Bilanz getrübt. 2018 indes sei "bislang ein super Jahr" gewesen - wie viele Liter Bier geflossen sind, will er aber nicht verraten. Nur soviel: Um die 1000 bis 1500 Gäste an einem sonnigen Samstag oder Sonntag bewirten zu können, stehen im "Seehof" sechs Leute in der Küche, sechs bedienen die Gäste und drei bis fünf helfen als Spüler oder Abräumer. Während er vor wenigen Jahren noch überrascht war, wenn im April sommerliche Temperaturen herrschten, ist der Betrieb inzwischen vorbereitet. Als "angenehm" empfindet Smolka es inzwischen, wenn die Garnituren auf dem Damm am See bereits an Ostern belegt sind. Meist bringe der Sommer noch genug Überraschungen - zum Beispiel eine Fußball-Weltmeisterschaft. "Ich kann das nicht erklären, aber da gingen die Leute nicht in den Biergarten."

Der Retter

Wasserretter Markus Bucher. (Foto: privat/oh)

Bei den vielen tausend Badegästen an den Ufern waren auch die ehrenamtlichen Helfer von der BRK-Wasserwacht Starnberg enorm gefordert. Einer ihrer Einsatzleiter ist Markus Bucher. Es sei auffallend, dass diesmal die Schnelle Einsatzgruppe (SEG) "häufiger auch unter der Woche alarmiert wurde", berichtet Bucher. Es hätten Personen reanimiert werden müssen, zum Beispiel ein älterer Mann am Kiesufer neben dem Starnberger Dampfersteg. Auch zu Tauchunfällen wurde Bucher gerufen. "Wir halfen aber vor allem oft bei Wespen- und Bienenstichen", erzählt der 39-Jährige. In einigen Fällen hätten die Patienten allergisch reagiert und in die Klinik gemusst. Dagegen registrierte seine Wasserwacht relativ wenig Schnittwunden durch Scherben am Seeufer. Überdies brausten die Retter zu Seglern, die gekentert waren, und zu Paddlern in Seenot - oder schleppten auch mal Boote mit Motorschaden ab.

Die Landwirtin

Kreisbäuerin Anita Painhofer. (Foto: Nila Thiel)

"Weniger optimal", das sind die Worte, die Kreisbäuerin Anita Painhofer wählt, um den Sommer aus landwirtschaftlicher Sicht einzuordnen. Die Pflanzen seien "für die extremen Wetterlagen einfach nicht gemacht. Die leiden". Erst wochenlang Hitze ohne Niederschlag, dann punktuelle Platzregen mit Niederschlagsmengen von bis zu 20 Litern auf den Quadratmeter in der Stunde auf die trockenen Böden: "Im Juni hat es uns da die ganzen Bifänge der frisch gesetzten Kartoffeln weggeschwemmt, die ganze Erde ist beim Nachbarn in den Keller gelaufen." Nein, ein Supersommer sei das aus betrieblicher Sicht nicht gewesen. Die Getreideernte sei lediglich durchschnittlich und Kartoffeln gebe es definitiv weniger als im vergangenen Jahr, das hätten die ersten Stichproben gezeigt. Der Mais wird erst demnächst gedroschen, "das schaut ganz gut aus", sagt Painhofer. Und auch die Zuckerrüben-Ernte sei zufriedenstellend. "Super" an diesem Sommer sei lediglich die Obsternte, so die Landwirtin, die täglich Zwetschgen, Birnen und Äpfel in der Küche verarbeitet. "Das können wir gar nicht alles essen", sagt sie. Deshalb verfüttert sie die Äpfel aus dem Garten aktuell auch an die Hirsche im hofeigenen Dammwild-Gehege. Sie hofft auf einen insgesamt kühleren Sommer im kommenden Jahr. "Ich bin schließlich keine afrikanische Bäuerin."

Der Coole

Elektrohändler Ernst Kleber. (Foto: Georgine Treybal)

Ernst Kleber kann sich nicht erinnern, dass es in seinem Elektrogeschäft an der Münchner Straße in Starnberg mal so heiß hergegangen wäre. Dabei ging es eigentlich um eine coole Sache: Ventilatoren, die seinen hitzegeplagten Kunden eine kleine Erfrischung verschaffen sollten. "Die Dinger sind weggegangen wie warme Semmeln", erinnert sich Kleber. Mindestens 50 Exemplare habe er verkauft, mit Preisen von 15 bis 400 Euro. Dazu kommen noch mal mindestens 100 Handventilatoren, für sechs Euro das Stück. Anfänglich konnte Kleber noch Ventilatoren nachbestellen, "doch dann konnten die Hersteller nicht mehr liefern". Einen speziellen Ventilatoren-Vorrat für die nächste Saison will er dennoch nicht anlegen. "Man weiß ja nie, wie so ein Sommer wird." Einen einzigen hat er noch im Geschäft. "Der ist unverkäuflich, den behalten wir für uns."

Der Bootsverleiher

Bootsverleiher Peter Hopmann. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Saison hat bei ihm heuer schon recht früh im April begonnen. "Es war ein sensationeller Rekordsommer", erzählt Peter Hopmann, Bootsverleiher am Wörthsee. Der Andrang sei riesig gewesen und habe nahezu durchgehend angehalten, freut er sich über diese Saison. Die Kunden hätten manchmal geduldig auf ein Boot warten müssen, wenn seine Flotte mal wieder ausgebucht war. Der 63-Jährige verfügt immerhin über 14 Tretboote und jeweils fünf Elektro- und Ruderboote. Das Geschäft lief also glänzend, die Ausflügler kamen auch aus München, Fürstenfeldbruck, Landsberg und von weiter her. Hopmann wird wohl noch bis weit in den Oktober hinein seine Boote verleihen. Zwar sei das vorige Jahr auch sehr gut gelaufen, doch dieser Sommer einfach nicht zu toppen gewesen, lautet seine Bilanz. Nicht nur Tret- und Elektroboote, auch Stehpaddel-Bretter waren gefragt. Bei manchen Verleihstationen waren sie sogar den ganzen Tag über ausgebucht, vor allem an den Wochenenden waren kaum SUP-Boards zu bekommen, wie Eliane Droemer bestätigt, die im Starnberger Strandbad seit drei Jahren die Stehpaddel-Station führt. "Extrem super" sei der Sommer gewesen, sagt sie, mehr als 50 Anrufe pro Tag, dazu zahllose Whatsapp-Nachrichten, SMS und E-Mails. "Schön, dass der Verleih und die Kurse in diesem prächtigen Sommer so gut funktioniert haben. Aber ich bin auch froh, dass es jetzt vorbei ist", seufzt Droemer. Erholen wird sie sich beim Snowboarden, sobald in den Bergen der erste Schnee fällt.

© SZ vom 15.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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