Bernried:Musikalische Bildungsreise

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Shoshanna Blumenfeld und ihre Mitmusiker interpretieren jiddische und orientalische Folklore. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Klezmergruppe Šuk Schirim spielt im Schloss auf

Von Berthold Schindler, Bernried

Mit zwölf Braustätten, dazu Beteiligungen an internationalen Bierproduzenten wie "Tsingtao" in China oder dem mexikanischen "Corona", und dem Betrieb von zehn Freizeitparks gehört das Brauereiunternehmen Anheuser-Busch aus St. Louis zu den Großfirmen in den USA. Eine damals 30-jährige Miterbin des Konzerns, Wilhelmina Anheuser-Busch, kam 1914 ins Fünfseenland und verliebte sich in die Gegend. Sie zog mit ihrem Ehemann nach Bernried in die Postvilla, um sich 1937 ihren großen Traum zu erfüllen: den Bau eines herrschaftlichen Anwesens. Heute steht das "Schloss" Höhenried immer noch zwischen der Klinik und dem Buchheim-Museum im Park. Im pittoreskem Kaminzimmer, ausgestattet mit hölzernen Deckenkassetten, nicht zu ausladenden Goldleuchtern, einem von einem Gipsrelief verzierten Kamin und den besonders augenfälligen, im Neorokokostil verschnörkelten gusseisernen Eingangsportalen, finden unter anderem Hochzeiten und auch Konzerte statt.

Ein solches gab an Neujahr die Tutzinger Klezmer- und Balkanmusikgruppe Šuk Schirim, was auf Deutsch soviel wie "schönes Lied" bedeutet, wobei šuk ein Roma-Wort und schirim jiddisch ist. Der Name ist Programm: Sie spielen Folklore aus dem östlichen Kulturraum, von Osteuropa über den Nahen Orient bis hin nach Indien. Aus den von der Frontfrau Shoshanna Blumenfeld gesungenen Texten erfährt man unter anderem, dass Belz der deutsche Name der zweitgrößten Stadt Moldawiens, Bălţi, ist. Und das Wort "epanim" für Wasser hat etymologische Wurzeln aus Sanskrit, Hindi und Romani. Zu E-Piano-Klängen, die an Stevie-Wonder-Hits der Achtziger erinnern, und verstimmtem Gitarren-Wechselbasspicking singt Blumenfeld vom Straßenlärm in New York, dass "das Ljeben ein Spaß" sei. Unvermeidlich sind dabei das aus dem Balkan bekannte und zum Mitschunkeln einladende Accelerando gegen Ende - und der jiddische Klassiker "Ikh hob dir tsufil lib" im Tango-Stil.

Lichte Momente hat das Ensemble in den Instrumentalparts: Wenn das Akkordeon Hupen im New Yorker Straßenverkehr imitiert, Schlagzeuger Gabor Varga die Cymbals streichelt oder der für die Blasinstrumente zuständige Constantin Maceasa in die Mundharmonika pustet, werden die Qualitäten der Musiker hörbar. Ansonsten war das Konzert eher in seiner Eigenschaft als kulturelle Bildungsreise beachtenswert.Im voll besetzten Saal gab es viel Applaus.

© SZ vom 05.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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