Asylbewerber:Zuflucht in der Zeltstadt

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Weßling ist vorbereitet: (v.l.) Landrat Karl Roth, Bürgermeister Michael Muther, Stephan Troberg und Sabine Neumann in der Weßlinger Sporthalle. (Foto: Thiel)

Auf einem Kirchengrundstück in Berg und auf dem Volksfestplatz in Tutzing werden Flüchtlinge campieren. Die Sporthalle des SC Weßling soll an diesem Donnerstag belegt werden. Das Landratsamt stockt sein Personal auf

Von S. Bader, M. Warkocz,O. Fritscher und c. Setzwein, Berg/Tutzing/Feldafing/Weßling

Der Flüchtlingsstrom ist ungebremst. Längst kann keine Rede mehr davon sein, die Hilfesuchenden dezentral im Landkreis unterzubringen. Die Behörden im Fünfseenland sind inzwischen dazu übergegangen, Turnhallen zu belegen und mobile Wohncontainer aufzubauen. In Berg und Tutzing sollen die Menschen bald in großen Zelten Zuflucht finden. Wie Bergs Bürgermeister Rupert Monn am Dienstag im Gemeinderat bekannt gab, sollen die Zelte auf dem kircheneigenen Grundstück am Huberfeld aufgestellt werden. Diese Fläche ist auch für den Bau eines neuen Rathauses im Gespräch.

Am vergangenen Donnerstag hatte sich die Gemeinde auf Bitten des Landratsamts auf die Suche nach einem geeigneten Grundstück gemacht. Am Freitag hatte sie nach Verhandlungen mit der Erzbischöflichen Finanzkammer und der örtlichen Kirchenverwaltung das Okay. Der Vertrag mit der Kirche läuft ein Jahr. Aufgestellt werden sollen nun winterfeste Bundeswehrfabrikate, die beheizt werden können. Sie bieten Platz für bis zu 130 Menschen. Derzeit ist noch unklar, wie viele Flüchtlinge nach Berg kommen werden. Monn weiß, dass die Betreuung der oft traumatisierten Menschen nur mit einem örtlichen Helferkreis zu bewältigen sein wird. Auch eine Informationsveranstaltung für die Bürger soll es in Kürze geben. "Ich glaube, dass die Flüchtlinge in Berg freundlich aufgenommen werden", sagte Monn.

In der Seegemeinde Tutzing werden von September an 128 weitere Asylbewerber erwartet. Die Flüchtlinge sollen auf dem alten Volksfestplatz am südlichen Ortsrand unterkommen. Dazu werden zwei Zelte aufgestellt; eines für 80, eines für 48 Menschen, wie Bürgermeister Rudolf Krug den Gemeinderäten mitteilte. Weitere Zelte seien für Küche und Sanitäranlagen vorgesehen. Anders als in Berg, soll die Art der Unterbringung spätestens im November ein Ende haben. Bis dahin sollen Containeranlagen eintreffen, die das Landratsamt bestellt hat. Krug sagte, dass alternativ zu Zelten die Würmseehalle im Gespräch gewesen sei. Aber ihre Belegung hätte nach den Ferien gravierende Auswirkungen auf den Sportbetrieb gehabt. Krug machte zwar deutlich, dass die Zahl der Flüchtlinge Tutzing vor neue Herausforderungen stelle, ließ aber am Willkommen aber keinen Zweifel. Derzeit sind in Tutzing und Traubing etwa 100 Flüchtlinge untergebracht.

In Feldafing ist die Aufnahme-Einrichtung in der ehemaligen Diamantschleiferei schon fast voll belegt. 102 Asylbewerber haben hier eine vorläufige Bleibe gefunden, für wie lange, das weiß im Moment niemand. Der Mietvertrag für die Immobilie läuft bis Ende Februar, sodass eine Belegung der ehemaligen Fabrikationshalle über den Winter gesichert ist. Ob der Eigentümer den Vertrag dann verlängern will oder die Immobilie anderweitig nutzen wird, ist nicht bekannt. Da es am Ort kaum freie Wohnungen gibt, müsste man in diesem Fall an eine Unterbringung in Container oder anderen mobilen Lösungen nachdenken. Doch noch ist es nicht so weit, momentan geht es dem Helferkreis, den Nandl Schultheiß koordiniert, darum, "Strukturen aufzubauen, und zwar sowohl für den Alltag der Asylbewerber als auch für den Helferkreis". Im Übergangsquartier, wie die Einrichtung offiziell genannt wird, leben junge Männer im Alter von 18 bis 30 Jahren. Etwa 30 kommen aus Eritrea, jeweils 25 aus Afghanistan und Albanien, je zehn aus Senegal und Pakistan und zwei aus Mali. 110 Betten sind in dem Gebäude, das aufwendig umgebaut und saniert worden ist, aufgestellt worden, so dass noch Platz für acht Asylbewerber wäre. "Wir brauchen noch Helfer", sagt Schultheiß, die sich bei ihr (Telefon 08157 /5353) oder bei der Gemeinde Feldafing melden können.

In Weßling wird an diesem Donnerstag die Sporthalle des SC als Unterkunft in Betrieb genommen. 38 Flüchtlinge werden erwartet. Es ist nach Inning die zweite Turnhalle im Landkreis Starnberg, die als Zwischenlösung herhalten muss, bis die ersten Container stehen. Das soll bis Mitte November in Herrsching der Fall sein, sagte Landrat Karl Roth am Mittwoch in Weßling, wo er mit Mitarbeitern des Landratsamts die Sporthalle begutachtete. Wie Sabine Neumann, Teamleiterin Asyl, berichtete, können die 60 Flüchtlinge, die im alten Weßlinger Feuerwehrhaus mehr schlecht als recht untergebracht sind, bis Ende August in dezentrale Unterkünfte umziehen. Eine Familie mit einem Neugeborenen wurde bereits von einer Weßlinger Familie aufgenommen. Das Feuerwehrhaus soll aber als Notunterkunft vorerst gehalten werden. In der Gaststätte der SC-Halle werden die Asylbewerber von einem Caterer mit Essen versorgt, ein Sicherheitsdienst kümmert sich rund um die Uhr um die Neuankömmlinge - 200 sollen es werden.

Die Hilfsbereitschaft der Bürger ist enorm und ungebrochen. Beim neu gegründeten Weßlinger Helferkreis Asyl hatten sich bis Mittwoch bereits 177 Unterstützer gemeldet, sagte der Vorsitzende der Nachbarschaftshilfe, Stephan Troberg. Mit dabei ist auch der SC Weßling, obwohl es für den Verein in den kommenden Monaten einen erheblichen Mehraufwand bedeutet, damit Training und Ligabetrieb weitergehen können. "Wir werden das aber stemmen. Und es geht hier um eine gute Sache. Der SCW unterstützt ausdrücklich diesen Akt der Humanität", heißt es auf der Homepage des Sportklubs.

In der Zwischenzeit hat auch Bürgermeister Christian Schiller die Herrschinger auf den Bau von Containern an der Goethestraße und die Aufnahme von 144 Flüchtlingen vorbreitet. "Menschen aus dem Nahen Osten, aus Afrika und anderen Gebieten, die so verzweifelt sind, dass sie trotz hohem Risiko nur in der Flucht nach Europa eine Zukunft sehen", schreibt Schille in einem Brief an die Anlieger der Goethestraße. Derzeit wohnen 44 Asylbewerber in der Gemeinde, 32 Erwachsene und zwölf Kinder aus Eritrea, Nigeria, Afghanistan, Albanien, Irak, Kosovo und Syrien. Die Vorbereitungen für die Containersiedlung beginnen Mitte August.

Auch das Landratsamt ist quasi rund um die Uhr mit dem Thema Asyl beschäftigt. Sechs neue Mitarbeiter wurden bereits eingestellt, weitere Stellen sind ausgeschrieben. Der Kreistag werde deshalb heuer noch einen Nachtragshaushalt genehmigen müssen, sagte Roth. Von den drastischen Äußerungen seines Fürstenfeldbrucker Kollegen Thomas Karmasin hält Roth trotzdem nichts. Karmasin hatte am Dienstag wegen des großen Ansturms von Flüchtlingen Konsequenzen für alle Bürger angekündigt. Sie müssten künftig wohl länger auf die Bearbeitung ihrer Bauanträge oder die Zulassung ihrer Autos warten. Solche Äußerungen "sind nicht sehr hilfreich", sagte Roth dazu am Mittwoch.

© SZ vom 06.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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