Arzt für Raubtiere:Bären auf Operationstischen

Arzt für Raubtiere: Mein Freund, der Bär: Tierarzt Peter Stelzer hat oft außergewöhnliche Patienten.

Mein Freund, der Bär: Tierarzt Peter Stelzer hat oft außergewöhnliche Patienten.

(Foto: oh)

Auch Raubkatzen und Wildtiere müssen mal zum Tierarzt - oder er zu ihnen. Gefährlich wird es, wenn ein Tier zu früh aus der Narkose aufwacht.

Von Otto Fritscher, Berg

Von außen sieht sie aus wie eine ganz normale Haustierpraxis. Nur im Warteraum geben große Bilder von Löwen und Elefanten in der Savanne einen ersten Hinweis. Denn zu den Patienten, die Tierarzt Peter Stelzer und sein Team behandeln, gehören nicht nur Hunde, Katzen und Kaninchen, sondern Elefanten, Tiger, Löwen, Bären und Giraffen.

Klar, dass diese großen und gefährlichen Tiere nicht in die Praxis nach Berg gebracht werden, sondern dass Stelzer und seine Kolleginnen Christine Lendl und Eva Kopp zu ihren vierbeinigen Patienten in Zoos oder Zirkusse fahren, und wenn es eilig ist, auch mal fliegen. "Wir sind ein eingespieltes Team", sagt Stelzer, und das machen auch die Spezialisierungen der drei Veterinäre deutlich.

Arzt für Raubtiere: Stelzer hatte auch schon einen Tiger in Behandlung - und arbeitete ausgerechnet an dessen Gebiss.

Stelzer hatte auch schon einen Tiger in Behandlung - und arbeitete ausgerechnet an dessen Gebiss.

Stelzer, 54, ist Fachtierarzt für Tierzahnheilkunde; Christine Lendl, 51, hat zwei Fachtierarztausbildungen, eine für Anästhesie und eine für Zoo-, Gehege- und Wildtiere. Eva Kopp, 39, hat sich auf die internistische Schiene verlegt. "Wir ergänzen uns gut", sagt Stelzer. Kopp arbeitet seit zehn Jahren in der Praxis, Lendl und Stelzer haben sich vor drei Jahren zusammengetan.

Wenn zwei Menschen ins Maul des Patienten passen

Christine Lendl ist das, was man eine taffe Frau nennen würde. Als Anästhesistin ist sie dafür verantwortlich, dass die Tiere, in deren Maul Stelzer und Kopp dann oft gemeinsam hantieren, auch wirklich tief und fest in Narkose schlafen. "Ich geh' als erste in den Käfig rein und als letzte wieder raus", sagt Christine Lendl. "Denn wenn ein Tier mal durch eine Verkettung unglücklicher Umstände zu früh aufwacht, dann soll es mich erwischen und nicht meine Kollegen." Das klingt ziemlich cool. Aber ist sehr ernst gemeint.

Die Medikamente, die zur Narkose einer Großkatze verwendet werden, sind um ein Vielfaches stärker als die Mittel, die bei Menschen verwendet werden. "Wir brauchen den Knock-out-Effekt", beschreibt Lendl. Da man einem wachen Löwen auch schlecht einen Venenkatheter ans Hinterbein legen kann, müssen die Tiere zunächst mittels eines Blasrohres betäubt werden - auch Lendls Job.

Dann werden Überwachungsinstrumente für Puls und anderes angeschlossen, an Hand derer Lendl verfolgen kann, ob die Narkose noch anhält. Während Zahnarzt Stelzer mal die Milchzähne bei einem jungen Tiger entfernt, einem Löwen einen Zahn zieht oder auch anderes operiert. Ob er dabei nie Angst hat? "Nein, Angst nicht, aber Respekt schon. Und man muss schon wissen, was man tut", sagt Stelzer.

"Ich hab' mich nicht bewegt, sonst hätte er mich gepackt"

Christine Lendl hat ungefähr 100 Wildkatzen als Patienten, um die sie sich regelmäßig kümmert, in Tierparks, in Zoos oder in Safariparks in Deutschland und im Ausland. "Mein erster Patient war während meiner Doktorarbeit ein Eisbär", erinnert sie sich. Und oft hatte sich Lendl einen Zahnspezialisten vor Ort dazugewünscht. "Denn ein wertvolles Tier legt man so selten wie möglich um, und man macht alle nötigen Untersuchungen und Behandlungen auf einmal", beschreibt die Tierärztin die Prozedur. Und oft ist nicht klar, ob und was einem Tier fehlt. "Viele Tiere haben keinen Schmerzlaut", sagt Lendl. Ein Tiger, der jammern oder wimmern würde, wäre selbst schnell ein Gejagter statt ein Jäger.

20 Jahre macht Lendl nun diesen Job, der gefährlich klingt. Ist er auch gefährlich? Nun, sagt sie, trauen müsse man sich schon etwas. Und natürlich hat sie trotz aller Vor- und Umsicht schon brenzlige Situationen erlebt. "Einmal hab' ich bei einem Tiger am Ende einer OP die Überwachungsgeräte abgebaut, und musste noch einmal vorne an seinem Maul vorbei.

Auf einmal hebt der Tiger seinen Kopf und schaut mich an. Ich hab' mir gedacht, ruhig bleiben, der legt seinen Kopf schon wieder hin", berichtet Lendl, "Ich hab' mich nicht bewegt, sonst hätte er mich gepackt." Tatsächlich ließ das noch benommene Raubtier den Kopf wieder sinken, Lendl trat, wie sie es nennt, "den geordneten Rückzug" an. "Und die Leute draußen vor dem Käfig sind ganz schön blass geworden", sagt sie.

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