Mit einem weiteren Namen der frühen Moderne ist die Gemeinde Icking verbunden: Krista Emendörfer, die älteste Tochter des Architekten Ernst Neufert. Aufgewachsen im thüringischen Gelmeroda, kommt sie erst 2002 ins Isartal, wo sie noch heute lebt. Sie ist Anthroposophin, betont, dass sie hat keinen Fernseher hat, trotzdem aber weiß, dass in diesem Jahr das Jubiläum "100 Jahre Bauhaus" gefeiert wird.
Ihre Mutter Alice Spies-Neufert hatte zunächst an der Akademie der Bildenden Künste in München studiert.1919 wechselte sie in das von Walter Gropius neugegründete Bauhaus nach Weimar. Dort lernte sie Ernst Neufert kennen, einen der ersten Bauhaustudenten und Chefarchitekt im Büro Walter Gropius. 1925, in dem Jahr, als Walter Gropius mit dem Bauhaus nach Dessau zieht, ist Neufert noch am Bau der Dessauer Schulbauten beteiligt. Nach Fertigstellung kehrt er zurück nach Weimar, um dort eine Professur für Bauplanung an der Nachfolgeeinrichtung des Bauhauses, der Bauhochschule Weimar, anzutreten.
1927 wird Tochter Krista geboren. Die Familie zieht ins ländliche Gelmeroda, hier baut Ernst Neufert 1929 sein Wohn- und Atelierhaus. Es ist ein kompaktes Holzhaus mit großen Glasflächen, ein Musterhaus auf zehn mal zehn Metern. Eine von ihm entwickelte Holzskelettbauweise mit vorfabrizierten Elementen kommt zur Anwendung.
"Auf den Balkonen konnte man in heißen Sommern gut schlafen und vorher Sternschnuppen zählen", sagt Krista Emendörfer. Die Kinder wachsen behütet und trotzdem frei auf. Im Gespräch erinnert sich Krista Emendörfer gern, dass sie als Kind in Gelmeroda die Glocken in der Dorfkirche läutete, eben jener Kirche, die der Bauhausmeister Lyonel Feiniger in vielen Bildern verewigte. Ihre Kindheit in Thüringen war geprägt von der Anthroposophie und Naturverbundenheit. "Wir waren vier Kinder, jedes Kind hatte seine eigene Ziege, die es melken konnte. Butter und Käse machten wir selbst." Doch 1935 wird die Ehe geschieden. Alice Neufert heiratet den Architekten Hermann Spies und zieht nach Dresden-Hellerau, gegen Kriegsende nach Farchant bei Garmisch-Partenkirchen und schließlich nach Icking.
Krista Emendörfer, heute über 90 Jahre alt, schwärmt bis heute davon, dass sie in einem praktischen Bauhausambiente mit Stahlrohrmöbeln und Bauhausdesign aufgewachsen ist. "Das Bauhaus hat sich durchgesetzt, weil es praktisch war." Die Alltäglichkeit des Bauhauses hat ihr Leben geprägt. Ihre Eltern hatten ein Jenaer-Glas -Speiseservice, mit Glasschüsseln und Gläsern in Metallträgern, geprägt von Wilhelm Wagenfeld. Ihr temperamentvoller Vater Ernst Neufert verteilte das Essen und "schubste das Jenaer Glas über den acht Meter langen Tisch, es flog bis ans Ende", erzählt sie. Die Kinder mussten fix sein, um ihre Teller festzuhalten, hätten es aber als praktisch und schön begriffen. Es wurden Feste im Geiste des Bauhaus gefeiert, es herrschte Aufbruchsstimmung auf dem Weg in die architektonische und gesellschaftliche Moderne. Krista Emendörfer war, ähnlich wie Georgia van der Rohe, in jener Zeit ein Kind, das die Stimmungen aufnahm, die sie ein Leben lang prägen würden. Für sie ist das Bauhaus eine Grundlage für die moderne Architektur und die moderne Lebensweise. Anthroposophie und Bauhaus sind kein Widerspruch für Krista Emendörfer. Beides sei auf dem Weg in die Moderne, die freie Architektur und das freie Geistesleben. Wenn man die Betonkonstruktionen des Zweiten Goetheanums in Dornach bei Basel, entworfen von Rudolf Steiner und erbaut 1925 bis 1928, betrachtet, wird klar, dass zumindest Beton und Anthroposophie nicht widersprüchlich sind. Die Frage nach dem rechten Winkel wäre noch zu klären: Das Bauhaus liebt ihn, die anthroposophische Architektur lehnt ihn ab. Bleibt man bei Krista Emendörfer, so hat sich in ihren Augen vieles verändert, doch die Bauhausformen sind praktisch und anwendbar geblieben, bis heute: "Das Bauhaus hat aufgegriffen, was gebraucht wurde. Es hat Formen für Gebrauchsgegenstände gefunden, die nicht besser zu machen sind." Spricht man mit ihr, ist alles ganz einfach: "Wir sind alles Menschen, die im Erbe des Bauhaus leben."