Band zur Geschichte der Allmende:Gemeinnutz statt Eigennutz

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In einer Studie gehen Historiker den Spuren der Allmende im Fünfseenland nach. Früher teilten sich Bauern Weide- und Holzrechte auf diese Weise, heute hat der Begriff neue Bedeutung erlangt

Von Armin Greune, Starnberg

Luft etwa wäre noch so etwas, aber bei Wasser oder erst recht bei Grund und Boden trifft es nur noch in Ausnahmefällen zu. Die Rede ist von der Allmende, einer Form des Gemeinguts, die schon im Alten Testament bei Ezechiel als Idealplan einer Siedlung festgelegt ist und jahrhundertelang die ländlichen Räume geprägt hat. Auch im Fünfseenland war die gemeinsame Nutzung von Weiden, Wäldern und Gewässern spätestens seit dem frühen Mittelalter weit verbreitet, vermutlich aber schon zur Zeit der Siedlungsgründungen. Grund genug also für den Arbeitskreis Ortsgeschichteforschung im Landkreis Starnberg, der Allmende ein Symposium zu widmen, das vor einem Jahr in Frieding stattfand. Nun sind sämtliche Beiträge als vierter Band der Serie "Studien zur Ortsgeschichteforschung" erschienen.

"Das Thema wird stark unterschätzt", sagte Benno Gantner, Leiter des Arbeitskreises, bei der Vorstellung des Buchs in der Starnberger "Bücherjolle". Die Allmende sei die "wichtigste Säule der mittelalterlichen Landwirtschaft" gewesen. Meist waren die Nutzflächen um die Dörfer konzentrisch angelegt, wie es heute noch etwa an manchen Siedlungsstrukturen und Flurkarten abzulesen ist. Oberbrunn etwa ist teilweise kreis-, teilweise strahlenförmig von Äckern umgeben. Daran schließt sich unmittelbar ein Ring von Wiesen und ehemaliger Allmendfluren an - die sich die Oberbrunner Bauern zum Teil sogar mit den Unterbrunner Kollegen teilten.

Allmende sei aber nicht als Besitzrecht zu verstehen, stellt Gantner klar. Vielmehr müsse man zwischen Ober- und Untereigentum unterscheiden: Grundherren waren in Oberbrunn der Herzog sowie die Klöster Benediktbeuren und Dießen. Sie überließen das Land zur Bewirtschaftung den Bauern. Für die Vortragsschrift haben Gantner und Albert Schuhbauer einige ehemalige Weide-Allmenden aufgespürt, die beispielsweise Hadorf, Münsing, Oberpfaffenhofen, Weßling und Delling umgaben.

Fischer wie Simon Rauch wurden schon früh den Landesherren unterstellt.

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(Foto: Georgine Treybal)

Die Waldallmenden bei Delling eigneten sich die Herren von Seefeld an, die Eichen sind Relikte der alten Weidenutzung.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Erholungsgelände wie das Paradies können als neuzeitige Form der Allmende gesehen werden.

Sie umfassten außer Wiesen auch Wälder, die als Vieheinstand und vor allem zur Schweinemast genutzt wurden. Zudem spielte Holz eine weit bedeutendere Rolle als heute: Es war nicht nur unentbehrlicher Baustoff, sondern oft einzig verfügbarer Energieträger, der Schmieden, Glashütten, Ziegeleien, Brauereien und nicht zuletzt alle Heizungen versorgen musste. Aus diesem Grund und aus Jagdlust weckten Wälder schon früh die Begehrlichkeiten der Grundherren: So eigneten sich die Grafen Törring im 16. und 17. Jahrhundert die bäuerlichen Waldallmenden rund um Seefeld an. Noch früher entzogen Adel und Landesherren die Seen der Allgemeinheit: Bereits im Hochmittelalter waren die alten, freien Fischereirechte und Nutzungsstrukturen aufgelöst, den Starnberger See überführten die Wittelsbacher 1585 endgültig in Eigenbesitz.

Aber auch die großen, gemeinsam bewirtschafteten Weideflächen wurden vom 13. Jahrhundert an nach und nach aufgeteilt, die Allmende wurde einzelnen Höfen oder Grundherren als Privatbesitz übertragen. Neben der Habsucht des Adels war dabei laut Gantner mitentscheidend, dass sich die früher allenfalls im Winter praktizierte Stallhaltung allmählich durchsetzte. Bei Weßling, Oberpfaffenhofen und Hochstadt aber bestanden noch bis zur sogenannten Gemeinheitsteilung 1810 große Allmenden. Schuhbauer führt dies auf die zerklüftete Topografie zurück, die eine Umwandlung der Weiden in Äcker ausschloss.

In den Rechtlergemeinschaften der Gemeinde Gauting aber hat die Allmende bis heute überlebt. Die Landwirte, die historische Weide- und Holzrechte innehatten, haben einen Teil des kommunalen Waldbesitzes zur Nutzung übernommen. "In früheren Zeiten hat man gemeinsam einen Hirten bestellt, später musste jeder beteiligte Hof Waldarbeiter stellen, heute lassen wir den Forst gemeinsam bewirtschaften", erläutert Max Rößler. Der Vorstand der 60 Rechtler umfassenden Gautinger Gemeinschaft hat bei seinem Amtsantritt 1990 noch um den Fortbestand der mündlich überlieferten Nutzungsprivilegien kämpfen müssen, die an einzelne Höfe, wörtlich Herde, gebunden sind. Auch in Stockdorf, Ober- und Unterbrunn gibt es noch Rechtlergemeinschaften, die organisationsrechtlich zwischen Verein und Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzusiedeln sind.

Verleger und Autor Benno Gantner bei der Vorstellung der historischen Studie zur Allmende in Starnberg. (Foto: Arlet Ulfers)

Auf dem Symposium kamen die Rechtler ebenso wenig zur Sprache wie die in der Schweiz noch vielfach vorhandenen Allmendkorporationen. Stattdessen berichtete Alfred Ringler über die letzten Bergalmen zwischen Isar und Lech, die als Relikte der "mittelalterlichen" Bewirtschaftungsform bedroht sind. Einen ganz anderen Standpunkt vertrat Klaus Prätor, der als Philosoph und Informatiker eine Wiedergeburt der Allmende - auch als Wissenssallmende - propagierte. Und Gantner sah in den Bade- und Freizeitarealen am Ammer- und Starnberger See eine neuzeitliche Form der Allmende.

Er räumt ein, dass der neue Band zur Ortsgeschichteforschung "eher etwas für Spezialisten" sei. Die Symposiumsbeiträge waren ja für ein fachkundiges Publikum gedacht und setzten ein solides Grundwissen zum Thema voraus. Eben deshalb bleiben auch im Buch wesentliche Fakten zur Allmende unerwähnt, was den Nutzen für interessierte Laien leider einschränkt.

Der Band "Allmenden - Gemeinschaftsgut und Nutzungsrechte" ist in einer Auflage von 150 Exemplaren erschienen und über Gantners Apelles-Verlag für 13,80 Euro zu beziehen: Tel. 08151/73074

© SZ vom 24.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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