Ausstellung:Meister der Zurückhaltung

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Für ein pointiertes Mahnmal zum "Bienensterben" reicht Gerald Strasser ein gelb und schwarz gestreiftes Stöckchen mit dürren Ästen als Flügel. (Foto: Nila Thiel)

Gerald Strassers Werke im Dießener Taubenturm sprechen den Betrachter leise an - und sind doch spektakulär

Von Katja Sebald, Dießen

Ein Aufstieg ins oberste Stübchen des Dießener Taubenturms lohnt sich immer, denn von dort oben hat man unbestritten den schönsten Blick über den Ammersee bis nach Andechs. Fast könnte man meinen, hier dem Himmel noch ein Stück näher zu sein, als im üppig schwelgenden "Theatrum sacrum" des Marienmünsters. Und jetzt hat der Herrschinger Künstler Gerald Strasser den Himmel sogar direkt in diesem Turmzimmer eröffnet: Noch zwei Wochenenden lang (bis 17. Juni, jeweils samstags und sonntags von 12 bis 18 Uhr) ist seine Ausstellung mit dem Titel "Endlos" zu sehen.

Tatsächlich ist diese Präsentation von Arbeiten aus den letzten zehn Jahren eine feinsinnige Inszenierung in drei Akten: Der Weg ist das Ziel auf dieser "endlosen" Himmelsleiter. "Ich mag es nicht, wenn Bilder den Betrachter gleich anspringen", hat Strasser einmal gesagt. Schon allein deshalb hat dieser stille Künstler eine Vorliebe für das kleine Format: "Man muss schon näher hingehen, um etwas zu sehen." Zunächst unspektakulär sind nicht nur die Formate von Gerald Strasser, sondern auch die Materialien: Aquarellfarben oder einfach bloß ein Malkasten mit Wasserfarben. Als Malgrund dienen ihm verschiedene Papiere vom Seiden- über Packpapier bis hin zu einem Stück Küchenkrepp. Spektakulär, wenn auch wirklich erst auf den zweiten Blick, ist aber das, was Strasser auf diesen Stückchen entstehen lässt. Manchmal sind es ein paar Pinselstriche in fein abgestimmten Blautönen, die sich zu einer schillernden Wasserfläche fügen. Manchmal ein paar zarte Farbtupfer, die zu einer ganzen Blumenwiese werden. Und manchmal eben ein winziges Gekritzel und ein Klecks Farbe, das zu einem wunderschönen, unendlich zarten Frauenakt wird und wahrhaft himmlische Verhältnisse verspricht.

Im ersten der drei Turmstübchen zeigt Strasser eine Zusammenstellung von Wassermotiven. Auch das titelgebende Blatt mit dem aufgeklebten Schriftzug "endlos" über einer Wellenlinie ist hier zu sehen. Es ist aber eigentlich schon eine der plakativsten Arbeiten in diesem Raum. Besonders reizvoll ist die minimalistische Serie "Wasser und Wellen": wie in einem Zug hingestrichelt, aber doch bedächtig, leise und ungemein dicht.

Über eine weitere enge und knarzende Treppe erreicht man das "Gartenzimmer", in dem Pflanzen- und Blütenmotive einen kleinen grünen Kosmos bilden. Auch hier klebt Strasser Papier über Papier über Papier. Es scheint, als hätte er jedes einzelne Pflänzchen in seinem Garten mit liebevoller Aufmerksamkeit betrachtet und es nun hier mit den passenden Nachbarn in ein "Hinterglasbeet" gepflanzt. Mit "Juni" ist der Eindruck einer bunten Blumenwiese überschrieben, die schön prallen Rosenblüten haben ein etwas größeres Format bekommen. Winzig, kaum handtellergroß, hingegen ist das Bildchen vom "Fettkraut", das seine Blütenstiele frech in die Luft reckt.

Auf dieser Etage hat auch eins von Strassers bezaubernd kuriosen Objekten seinen Platz gefunden. Sie werden aus schnöden Fundstücken, ein bisschen Eisenschrott, Pflanzenteilen oder Holzstückchen zusammengesetzt, erhalten einen Titel und erzählen dann eine kleine, aber durchaus pointierte Geschichte: Für ein Mahnmal zum "Bienensterben" etwa reicht Strasser ein gelb und schwarz gestreiftes Stöckchen mit dürren Ästen als Flügel.

Schließlich ist man im obersten Turmgeschoss angelangt, das Strasser den figürlichen Darstellungen gewidmet hat. Darunter finden sich zwei besonders gelungene Objekte und einige Blätter mit fein abstrahierten menschlichen Gesichtern. Und dann eben jene Reihe von kolorierten Aktzeichnungen, für die man unbedingt auch die letzte der steilen Holztreppen erklimmen sollte. Hier zeigt der Künstler sein ganzes Können, wenn auch mit der ihm eigenen Bescheidenheit.

Eine mal kugelrunde, mal zarte und mal elegante, vor allem aber sinnliche Weiblichkeit hat er mit einem höchst subtilen Strich und extrem sparsamen Einsatz von Farbe auf kleinstem Format eingefangen. Gerald Strasser wurde 1942 in Pähl geboren. Er studierte an der Akademie der Bildenden Künste in München und lebt seither als freischaffender Künstler in Herrsching. Nur selten sind seine Arbeiten in Ausstellungen zu sehen - dass sie trotzdem bei Sammlern sehr begehrt sind, das zeigen die vielen roten Punkte in dieser sehenswerten Ausstellung im Taubenturm.

© SZ vom 09.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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