Ausstellung:Lebenszeichen im kleinen Format

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"Frust und Freude": 27 Mitglieder des Kunstvereins Gauting zeigen im Rathaus ihre Arbeiten. Die Pandemie und ihre Auswirkungen sind allgegenwärtig in der Ausstellung

Von Katja Sebald

Darf man das jetzt noch? Das war die am vergangenen Wochenende allgegenwärtige Frage. Darf man jetzt noch ins Gautinger Rathaus gehen, um die aktuelle Ausstellung des Kunstvereins anzusehen? Man darf.

Vermutlich werden das nur wenige Menschen tun, zumal man sich für den Besuch vorab einen Termin geben lassen muss. Aber vielleicht reicht es ja auch, wenn in den kommenden Wochenende der eine oder die andere am Rande eines Behördengangs wahrnimmt, dass die Kunst noch nicht ganz verschwunden ist - und mit ihr die Künstler.

"Frust und Freude" heißt die Ausstellung, die unter dem im September neu gewählten Vorstand innerhalb weniger Wochen organisiert und am Freitagabend unter Einhaltung aller Hygieneregeln eröffnet wurde. Sie habe die teilnehmenden Künstler um kleine Formate gebeten, sagt die neue Vereinsvorsitzende Jane Höchstetter, da man - auch das durch die Pandemie bedingt - diesmal nur das Erdgeschoss bespielen durfte. Immerhin 27 der weit über hundert Vereinsmitglieder haben Arbeiten eingereicht, insgesamt sind knapp vierzig Exponate zu sehen. "Wir sind da", wolle man mit dieser Ausstellung sagen, so Höchstetter, die Gesellschaft brauche jeden einzelnen Künstler, um sich zu spiegeln, im Dialog erfahren und mitteilen zu können.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

"Unwucht" von Claudia Hiepel und Heinrich Schumacher.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Bernd Wiedemanns "Wer nicht lachen kann, muss weinen".

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ulrich Schweigers "Raumgestalt".

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Peter Timpels "Danteske Erscheinung".

Natürlich ist die Pandemie in dieser Ausstellung allgegenwärtig: Das Virus dominiert als rote Glitzerkugel ein abstrakt-ornamentales Bild, das Richard Eckert an Ostern malte. Es taucht als kleines wadlbeißendes Monster in einer höchst turbulenten Zeichnung von Bernd Wiedemann auf und ist wohl auch für den sinnigen Bildtitel verantwortlich: "Wer nicht lachen kann, muss weinen." Erlebnisse in Zeiten einer Pandemie stehen vermutlich hinter Selbstbildnissen voller Einsamkeit ebenso wie hinter dystopisch anmutenden oder aber fast unwirklich schönen Landschaften.

Elke Groebler etwa bringt "Frust" und "Freude" mit zwei kleinen Kreidezeichnungen auf den Punkt. Michael Nguyen zeigt die Fotografie eines Augapfels, die den Titel "Corona-App" trägt. Elke Streifer-Schröck setzt "Frust" und "Freude" auf zwei quadratischen Leinwänden um: Auf der einen verschwindet die Komposition hinter heftig schwarzen Farbspritzern, auf der anderen kann sich die lebensfroh-bunte Bildwelt entfalten. Jane Höchstetter selbst setzt mit ihrer eigenen Arbeit "Ein kleines Zeichen" für die mittlerweile über hundertjährige Erika Pusch: Die Gautinger Malerin, die lange Jahre Mitglied im Kunstverein war, lebt mittlerweile in einem Seniorenheim in Berlin. Höchstetter fotografierte sie bei einem ihrer letzten Besuche und erinnert an die Brotzeit, die es bei dieser Gelegenheit gab. Auch diese Freude ist dem Frust angesichts von Besuchsverboten gewichen.

Hier zu sehen sind alle Aussteller. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Und es gibt noch eine ganze Reihe anderer wundersamer kleiner Zeichen in dieser Ausstellung, wie etwa die beiden hingetuscht winzigen Figuren von Barbara Klug, die einander in schwierigen Zeiten innig zugeneigt sind, oder die von allem Frust unbeeindruckte, freudig tanzende kleine "Raumgestalt" von Ulrich Schweiger. Vielleicht wird die Ausstellung in den kommenden Wochen nur wenige Besucher haben. Man kann sie jedoch auch auf der Webseite des Kunstvereins anschauen - und natürlich kann man mit dem Kauf einer der Arbeiten auch selbst ein Zeichen setzen.

Die Ausstellung "Frust und Freude" ist bis zum 19. November 2020 zu den Öffnungszeiten des Rathauses zu sehen.

© SZ vom 02.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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