Ausstellung:Krailling um die Jahrhundertwende

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Viele Bilder aus Krailling zusammen getragen: Veronika Sanftl (li.)und Friederike Tschochner. (Foto: Treybal)

Friederike Tschochner ist Kennerin der Ortsgeschichte. Die Ausstellung dauert noch bis 8. September

Von Christiane Bracht, Krailling

Wo andere nur alte staubige Karten oder eine vergilbte Postkarte sehen und sich schnell gelangweilt abwenden, da leuchten die Augen von Friederike Tschochner. Mit detektivischem Eifer geht sie akribisch jedem Hinweis nach, immer auf der Suche nach Erkenntnissen über die Vergangenheit. Monatelang hat sie geforscht, um herauszufinden, "wie Krailling modern wurde". Im Staatsarchiv ist sie längst als Dauergast bekannt, hat schon einen eigenen Platz. Jetzt hat Tschochner zusammen mit dem Kulturförderverein Krailling eine Ausstellung über den Ort um die Jahrhundertwende konzipiert, die noch bis zum 8. September während der Öffnungszeiten des Rathauses im Sitzungssaal zu sehen ist.

Zu sehen sind alte Villen, zahlreiche Pläne, Katasterkarten, Architektenzeichnungen und auch mal die Eigentümer. Man kann sehen, dass Krailling zwischen 1880 und dem ersten Weltkrieg sich rasant vom Bauerndorf zur Sommerfrischegemeinde entwickelt hat. Wo früher ein paar Höfe entlang der Würm standen, begann sich langsam ein Straßennetz zu entspinnen. Dank der Eisenbahn entdeckten reiche Münchener das Würmtal. Sie kauften den Bauern Land ab und bauten ihre großen Villen. Auch Immobilienmakler entdeckten schnell ihr Geschäft und trieben regen Handel. Die ersten Villen standen noch nahe der Würm, denn Energie, Wasserleitungen und Kanäle gab es nicht. 1890 bis 1914 entstanden die Häuser an der Bergstraße, von denen aber nur noch ein einziges erhalten ist - die Villa Bräunlein. Heute ist sie liebevoll restauriert in gelb und weiß mit außergewöhnlich schönen Verzierungen und sticht sofort ins Auge.

Eine Postkarte vom Hackerberg war der Anfang von Tschochners Forschungen. Noch immer sucht sie, wo die Häuser mal gestanden haben könnten, die darauf abgebildet sind, und wem sie gehörten. "Fast alle sind perdu", sagt die Kraillingerin. Andere standen gar nicht dort, sondern zum Beispiel in Planegg. An die 400 Pläne hat sie sich bereits angeschaut, aber der entscheidende von der Bergstraße fehle im Staatsarchiv, sagt Tschochner mit einigem Bedauern. Wenn man sich die vielen Villen anschaut, die einmal in Krailling standen oder auch noch stehen, sieht man, dass es nie einen einheitlichen Stil gegeben hat. Verschiedene Architekten haben sich hier verwirklicht oder auch die Träume ihrer Bauherrn realisiert. Mit Türmchen oder Erker, mit einem Heiligen an der Hauswand oder Jugendstileinfluss. Die einen städtisch nach Berliner Vorbild, die anderen im Heimatstil, beliebt war aber auch der englische Landhausstil oder italienische Renaissance. Die Architekten waren wahrlich kreativ. Es gibt auch den ein oder anderen Entwurf, der nie realisiert wurde. Denn der Verein für Volkskunst pfuschte den Architekten seinerzeit mächtig ins Werk und so wurde manches anderes geplant als gebaut. Anhand der Ausstellung kann man das gut nachvollziehen. Die meisten Villen hat wohl der Baumeister Konrad Dumser entworfen und realisiert.

Bei der Vernissage hörte man immer wieder Sätze, wie: "Das ist die Villa von meinem Großvater." Oder "In meiner Jugendzeit war auf dem Zaun der Villa Lintschi noch ein ausgestopfter Löwenkopf. Vor dem haben wir uns als Buben immer gefürchtet. Gleich neben der Stiege." Tschochner hörte den Leuten aufmerksam zu, immer auf der Suche nach neuen Erkenntnissen. Manch ein Rätsel hat sich so für sie schon gelöst.

© SZ vom 09.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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