Ausstellung in Wörthsee:Mit dem Tiger Willi in die himmlische Hölle

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Ein Mann, eine Tigerweste, ein Gesamtkunstwerk: Der Dichter Tiger Willi zeigt seine farbenfrohen Bilder, die bislang nur CD-Booklets zierten.

Uschi Anlauf

Bunt ist sie, die Welt des Tiger Willi, aber genauso grausam ist sie auch. Denn dass der Mensch ein Tier ist, steht für den Tiger vom Wörthsee fest. Wenn der Mensch nicht "durch die Schrift, die Zehn Gebote und das BGB gezähmt und sozialisiert" worden wäre, würden sich seiner Meinung nach alle gegenseitig auffressen. Gedanken über das Menschsein macht sich der gebürtige Steinebacher, der mit bürgerlichem Namen Wilhelm Raabe heißt, ja bekanntermaßen schon lange. Geboren und aufgewachsen im Wirtshaus Raabe, begann er schon als junger Metzgerlehrling heimlich zu dichten. Später studierte er Philosophie, Literatur und Soziologie. Und irgendwann begann er zu singen. Längst ist er als Tiger Willi, der ursprünglich nur für seine Steinebacher Nachbarn sang, weit über die Grenzen des Wörthsees hinaus bekannt für die so bissige wie ehrliche, urbairische Poesie seiner Songs. Doch wer das Unikum vom Wörthsee kennt, der weiß, dass der Tiger mehr ist als ein singender Dichter.

Er dichtet, singt und zeichnet auch noch: Tiger Willi, der eigentlich Wilhelm Raabe heißt, präsentiert nun erstmals seine Bilder in einer Ausstellung. (Foto: region.wor)

Der Mann mit der Tigerweste ist ein Gesamtkunstwerk. Seine Welt besteht nicht nur aus Worten, sondern auch aus Bildern, die man bisher jedoch nur von seinen CD-Covers und Booklets kannte. Farbenfrohe Bilder, die an indianische und ozeanische "Eingeborenenkunst" erinnern und die jetzt erstmals als Originale zu sehen sind. Eine Woche lang zeigt das Rathaus Wörthsee "Tiger Willis Welt in Bildern" - farbenfrohe Filzstiftzeichnungen des eingeborenen Steinebachers. Gedanken und Ideen in Bilder gepackt, Skizzen für seine Lieder, mit denen er neben Gedankenfetzen und philosophischen Überlegungen seit Anfang der 90er Jahre zahlreiche Notizbücher gefüllt hat. Wie nicht anders zu erwarten, steht auch in Tiger Willis Bildern der Mensch im Mittelpunkt - genauso wie er ihn sieht. Dämonisch fast, mit weit aufgerissenen Augen und riesigen Mündern voller Zähne, ist jeder für den anderen eine Gefahr - auch wenn, wie auf Seite 26 eines der Kunstbücher, der Funke bereits übergesprungen ist. Gleichzeitig aber, so der Tiger, "kummt koana an Millimeta aus sich raus". Weil es keinen freien Willen gibt. Damit erklärt er auch die elektrischen Leitungen, die den Körper der drallen Schönheit in "Nachtgebet" verkabeln. Ferngesteuerte Individuen, mit teuflischen Blicken und vor Geilheit nur so strotzend, aber auch verschämt, verloren oder engelsgleich. Voller Widersprüche und Gegensätze sind seine Bilder, genau wie das Leben selbst. Und so erklärte August G. Leitner in seiner Laudatio am vergangenen Freitag auch die unterschiedlichen Reaktionen auf den Tiger Willi als Gesamtkunstwerk. Er ernte "so viel Liebe und Hass, weil seine Kunst so existentiell ehrlich ist, so ungeschützt, so unschuldig nackt und ausgesetzt, so schutzbedürftig, aber auch so viel Wärme abgibt."

Nur bis 13. Juni, im Rathaus Wörthsee/Steinebach, zu den üblichen Öffnungszeiten. Zusätzlich geöffnet am Freitag, Samstag und Sonntag von 15-18 Uhr.

© SZ vom 08.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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