Ausstellung:Geschichte in der Holztruhe

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Fischer-Dynastien (v. li.): Peter, Paul, Hans und Rosmarie Gastl, Bernhard und Anton Ernst, Renate Knötzinger, Martha Perchtold und Ulrich Stumbaum. (Foto: Nila Thiel)

Im Haus der Bayerischen Landwirtschaft zeigt die "Ammerseefischerei - gestern und heute"

Von Patrizia Steipe, Herrsching

Wenn die Fischer am Ammersee heute ihre Reusen, Zug- und Stellnetze ausbringen, dann geschieht das auf die gleiche Weise, wie sie es bereits im 17. Jahrhundert gemacht haben. Die Seenfischerei ist einer der wenigen Handwerksberufe, denen Industrialisierung und Digitalisierung kaum etwas anhaben konnten. Bernhard Ernst, Vorsitzender der Fischereigenossenschaft Ammersee und Mitglied einer der Fischerdynastien am See, informierte im Haus der Bayerischen Landwirtschaft über die "Ammerseefischerei - gestern und heute". Zur Eröffnung der Ausstellung "vor offener Lad" waren einige der insgesamt 34 Ammerseefischer gekommen, die heute noch eines der Fischereirechte besitzen. Die erste urkundliche Erwähnung der Ammerseefischerei stammt aus dem Jahr 1150, als die Grafen von Andechs das Dießener Fischwasser dem neugegründeten Kloster Dießen vermacht hatten. Noch heute gibt es Fischerfamilien, deren Wurzeln sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen lassen, wusste Ernst.

Interessiert begutachteten die Nachfahren bei der Eröffnung die Vitrinen mit den Zunftbüchern, den Dokumenten und Fotos. Auf den jahrhundertealten Schriften fanden sich etliche noch heute geläufige Familiennamen. "Zu 90 Prozent haben die Fischer früher untereinander geheiratet", sagte Ernst. Ihre Partner hatten sie beispielsweise auf Tanzabenden kennengelernt, die die Zunft veranstaltet hatte.

Im Zentrum der Ausstellung steht gesichert hinter Glas die Zunftlade, die "Lad", eine massive alte Holztruhe, die wohl um 1640 geschreinert wurde. Sie hatte in früheren Zeiten eine wichtige Funktion. Zu Versammlungen wurde sie ins Dießener Rathaus gebracht. "Mit dem Öffnen der Lade begann die Zunftversammlung", sagte Ernst. Bei offener Lade wurden Fischersöhne vorgestellt, Lehrlinge freigesprochen, Streitigkeiten geschlichtet und Recht gesprochen. In der Lade befanden sich die Zunftbücher, Urkunden, Geld, aber auch über Straftaten war Buch geführt worden. Große kriminelle Energie kann man den Fischern allerdings nicht nachsagen. "Bei 90 Prozent der Taten handelte es sich um Liebe", erzählte Ernst. 1787 waren zum Beispiel zwei Fischersöhne zu Geldstrafen verurteilt worden, die "sich leichtferttigt vergangen und leedige Mädl impraegnirt (geschwängert) hatten".

Es waren die Fischer selbst, die Ende des 17. Jahrhunderts nach mehr Ordnung auf dem See gerufen hatten, wusste Ernst. "Nach dem 30-jährigen Krieg waren es bis zu 300 Fischer", so Ernst. Er konnte sich das Chaos am See gut vorstellen, dass damals wohl geherrscht hatte, wenn alle den Fischschwärmen mit ihren Booten um den See gefolgt waren.

Den Zunftbrief stellte Kurfürst Max Emanuel im Jahr 1691 aus. Das Faksimile können die Besucher der Ausstellung betrachten. Viele der damaligen Regelungen gelten heute noch. "Jeder Fischer musste Mitglied der Zunft sein. Auch heute muss jeder Fischer Mitglied der Ammerseefischer sein", sagte Ernst. Die Genossenschaft verfügt sogar über eine eigene Gerichtsbarkeit.

Trotzdem hat sich über die Jahrhunderte einiges geändert. Es sind Erleichterungen gekommen. So haben beispielsweise Kunststoffnetze die leicht verrottbaren Baumwollnetze abgelöst. Längst gibt es auch Fischerinnen. Insgesamt gesehen wird der Beruf des Fischers immer härter. Tobias Ruff, Fachberater für Fischerei beim Bezirk Oberbayern, zählte die Probleme auf. Das sind zum Einen die geringeren Erträge. "2016 hatten wir 34 Tonnen Gesamtfang, das ist zwar besser als noch vor ein paar Jahren, aber zur Hälfte weniger als in früheren Zeiten." Dazu kommt das "mäßige" Wachstum der Fische und die Konkurrenz. Sie stammt heute nicht mehr vom anderen Ammerseeufer, sondern beispielsweise aus Kasachstan, so Ernst. 15 Tonnen Fisch im Jahr wandern auch in die Mägen der Kormorane. Allerdings habe der gefiederte Fischräuber in der Vergangenheit sogar bis zu 30 Tonnen Fisch verschlungen. Die Fischerei sei ein Kulturgut, das es zu bewahren gilt, sagte Ruff, und die Fische "ein Naturprodukt, wie man es schöner nicht haben könnte".

Die Ausstellung ist noch bis zum 2. Dezember im Herrschinger Haus der Bayerischen Landwirtschaft, Rieder Straße 70, zu besichtigen.

© SZ vom 30.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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