Ausstellung:Geschichte auf Rädern

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Die zweirädrigen Karren sind beladen mit Gegenständen, welche die Abgaben der Bauern symolisieren sollen. (Foto: Nila Thiel)

Das Laudemium-Projekt erinnert an Zwangsabgaben

Von Christine Setzwein, Wörthsee

Laudemium könnte ein Lobgesang heißen oder auch ein Schmerzmittel. Für die bayerischen Bauern des 17. und 18. Jahrhunderts bedeutete das lateinische Wort vor allem eins: eine deutliche Belastung. Eine Geldabgabe, die fällig wurde, "wenn durch Verkauf, Erbfall, Tausch, Vergleich, Schenkung oder sonst aus einem anderen Grund der Besitz an einem grundherrlichen Gut" wechselte, schreibt der Wirtschaftshistoriker Friedrich Lütge. Ein Vorfahr von Hans Thurner war einer dieser Bauern. Thurner, Bauer, Bildhauer und Bürgermeister, hat zusammen mit seiner Ehefrau, der Bildhauerin Ute Lechner, die Jahresausstellung 2000 im Kloster Seeon bestückt: Eisenkarren mit zwei Rädern, darauf in Bronze gegossene Abgaben der vom Kloster abhängigen Bauern. Das Laudemium-Projekt. An die 40 dieser Skulpturen stehen jetzt in Wörthsee.

Die rostigen Karren sehen eher ärmlich aus; keiner gleicht dem anderen. Die Abgaben aus Bronze sind Fische, Geflügel oder Rüben. Flaschen, die Wein assoziieren, sollen auf das Wasser als Lebensgrundlage hinweisen. Mit Gewichten wurden die Abgaben gewogen. Eine Katzenmumie, Sensen, eineTaube, Bücher und mehr, Symbole von Leben und Tod. Insgesamt haben Thurner und Lechner 55 Karren geschaffen. Einen Großteil hat Johannes Englmeier an den Wörthsee geholt. Er und Andreas Huber haben den Anstoß für einen Skulpturenweg in Wörthsee gegeben, der 2018 eingeweiht wurde. Englmeier, Koch und Künstler, war Schüler des Obinger Bildhauers Hans Thurner, der 1988 den ersten bayerischen Skulpturenweg in Wasserburg initiiert hatte. Seine Motivation war, Kunst auch außerhalb von Galerien und Museen für jedermann zugänglich zu machen. Die Bürger mit moderner Kunst zu konfrontieren, ist auch das Anliegen der beiden Wörthseer.

Hans Thurner starb im September 2017 mit 66 Jahren. Sein Atelier musste nach der letzten Ausstellung von Ute Lechner verkauft werden, erzählt Englmeier. Beim Ausräumen half er mit, und es stellte sich die Frage, wohin mit den Skulpturen. Sie ist beantwortet: am Wörthsee. Die Karren - die übrigens käuflich sind - reihen sich entlang des Fußwegs zwischen Etterschlager und Seestraße. Die "Fremdlinge" von Englmeier, die vorher dort standen, ziehen um auf die Wiese unterhalb des Seglerwegs.

© SZ vom 20.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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