Fotografen lassen sich in zwei Kategorien einteilen: Es gibt solche, die nur die Realität abbilden und jene, die ein Kunstwerk erschaffen wollen. Die Künstlerin, Sachbuchautorin und Journalistin Antje Bultmann würde sich wohl der zweiten Kategorie zugehörig fühlen - auch wenn sich das erst spät in ihrem Leben herausstellte.
Die heute 77-Jährige studierte in Tübingen Soziologie, Psychologie, Pädagogik und Psychiatrie. Nach ihrem Studium war sie als Lehrerin, Dozentin und Heimleiterin tätig. Ihre schönsten Jahre aber erlebte sie ab einem Alter von 41, als sie an der Kunstakademie in Stuttgart studierte. Da die Kunst nicht für ihren Lebensunterhalt ausreichte, entschloss sie sich kurzerhand Journalistin zu werden. Von 1991 an arbeitete sie sechs Jahre lang bei der Süddeutschen Zeitung als Gerichtsreporterin und veröffentlichte zahlreiche Sachbücher. Doch ihre wahre Leidenschaft kristallisierte sich noch heraus: Whistleblowing. Als Gründungsmitglied des Vereins Whistleblower Netzwerk e.V. unterstützte Bultmann Whistleblower dabei, ihre Enthüllungen an die Öffentlichkeit zu bringen. 2001 übernahm sie die Leitung der Ethik Schutz Initiative (ESI), die sich auch für Whistleblower einsetzt. Von 2005 bis 2007 war sie zudem Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Umweltstiftung. Doch ihr Einsatz für Whistleblower barg auch Risiken.
Bultmann fühlte sich zunehmend beobachtet und bedroht. "So wurde ich Künstlerin", erzählt die Journalistin.
Die Kunst bot ihr einen Ausweg aus der dunklen Welt, mit der sie sich auseinander setzte. Bultmann begann, Wasser an der Isar, an der Jachen, am Starnberger und Walchensee zu fotografieren - Orte typischer Postkartenmotive. Doch ihre Bilder sind anders: Sie versucht die Natur durch Beobachtung zu verstehen. So geben ihre Fotografien Rätsel auf und wecken Bewunderung: Da tobt, braust, schwingt und gleitet Wasser in unendlichen Formen. Bultmann spielt mit Lichtreflexionen und bunte Farben entstehen. Ob grün, rot, gold oder lila: Manche der Spiegelungen sind auch der Fotografin selbst unerklärlich. So kontaktierte sie Wissenschaftler um die Rätsel in ihren Bildern zu lösen. Doch vieles blieb unbeantwortet.
Es scheint, als hätte Bultmann sich mit der Fotografie von der Welt der Wissenschaft ebenso wie vom Streben nach Gerechtigkeit abgewandt. Doch das ist nicht der Fall. Auch ihre Kunst ist von politischem Engagement und einer Leidenschaft für Wissenschaft geprägt. "Uns ist verloren gegangen, was Wasser bedeutet", sagt die Künstlerin, das lebenswichtige Element sei bedroht. Die Verschmutzung der Ozeane, der mangelnde Zugang zu sauberen Trinkwasser für 2,1 Milliarden Menschen, die Handlungsunfähigkeit der Weltmächte angesichts des Klimawandels: All das bereitet Bultmann Sorgen. Doch anstatt das Bewusstsein mit erhobenem Zeigefinger zu schärfen, will sie ein anderes, sinnliches Verhältnis zu Wasser herstellen. Sie hofft, mit ihren Bildern ein positives Bild von Wasser zu vermitteln und so Menschen zu motivieren, sich für den Schutz der Seen, Meere und Flüsse einzusetzen. Antje Bultmann gibt ihr Streben nach einer gerechten Welt nicht auf. Die 77-Jährige bleibt eine Kämpferin. Ihre Fotografien sind noch bis zum 10. Februar im Literaturcafé Pöcking, Hauptstraße 8, zu sehen.